Was ich gern wäre? Diejenige, der nie ein Fehler passiert und diejenige, die durch ihr Verhalten oder Auftreten nie zur Lachnummer wird.
Wer war ich letzte Woche aber wirklich? Diejenige, die um einen Hocker lief, stolperte und auf die Nase fiel, sich den kleinen Zeh verstauchte und erst einmal heulend auf dem Boden saß. So ist das also wenn ich mich wochenlang erwachsen fühle und dann durch eine dumme Bewegung wieder zurück in mein 16-jähriges Ich katapultiert werde.
Peinlich? Ja. Unwichtiger Alltagsfehler? Auch ja. Schäme ich mich immer noch, dass ich oft genug zu blöd zum Laufen bin? Ja! Sollte es mir nicht langsam egal sein wie ich wirke und darauf achten was wirklich zählt? Dreihundertmal ja.
Mein Name ist Franzi und ich stolpere als erwachsene Frau noch immer gern über meine eigenen Füsse.
Ich nehme Türrahmen und -klinken mit und wache gern am Morgen mit fünf neuen blauen Flecken auf, ohne zu wissen woher ich sie habe und wie sie entstanden sein könnten. Ich verschlucke mich an einem Glas Wasser mitten in einem Restaurant, vergesse in meinem Job Kommas und aus der Bildunterschrift „Meine Lieblingsjacke“ wird „Meine Lieblingskacke“. Und es bleibt ganze fünf Stunden auf meinem Kanal online, ohne das ich es bemerke. Ich gehe manchmal bei rot über die Straße weil ich träume; falle vom Bordstein, kippe mir im Meeting Kaffee über die weiße Bluse, stecke aus Versehen den Finger in die Steckdose wenn ich die Zimmerpflanzen verrücke und lache ganz oft wie ein altes Waschweib auf, wenn mir mein Gegenüber etwas Lustiges zuflüstert.
Ich bin eine erwachsene Frau und muss immer noch nach dem Weg fragen. Ich kann mir rechts und links nur merken, weil mein rechter Mittelfinger etwas krummer als der andere ist. Das alles bin ich und es war mir eine ganze Zeit lang wirklich unglaublich peinlich. Diese alltäglichen Macken und Fehler waren einfach nicht akzeptabel und nicht genug für das Erwachsen sein. Ich bin wohl oft alles andere als das was ich gern nach außen hin verkörpern möchte.
„In deinem Alter sollte man das doch wissen: Du musst du dich akzeptieren und über diesen Dingen stehen.“
Ich habe oft das Gefühl, dass sonst niemand so lebt. Keiner anderen Frau in meinem Alter ergeht es so. Tatsächlich habe ich mich immer wieder geschämt, wollte es niemandem erzählen, weil es irgendwie doch so lächerlich klingt, dass ich immer noch die gleichen Macken hege und pflege. Der Kopf und die Gedanken müssen immer passen. Immerhin haben wir ja genug Zeit gehabt, um aus meinen Fehlern zu lernen. Im Leben muss man erwachsen sein, so aussehen und es dann auch durchziehen.
Aber irgendwie scheint das doch nicht das echte Leben zu sein-
Sonst würde ich doch nicht noch immer gegen Gegenstände laufen, mich bis zu den Tränen über den Schmerz ärgern, um mich anschließend für meine Gefühle zu schämen. Auch jetzt bin ich manchmal noch sinnlos wütend, traurig oder enttäuscht. Auch jetzt lache ich manchmal wie ein Pferd, oder falle anderen ins Wort und merke sofort wie peinlich das sein muss.
Ich bin bestimmt ganz oft peinlich, aber das ist schon ok.
Peinlich: Ein Gefühl der Verlegenheit, des Unbehagens, der Beschämung
Peinlich und beschämt, so fühle ich mich ganz oft immer noch. Aber es darf mir herzlich egal sein. Muss es auch. Es ist menschlich hinzufallen, egal in welchem Alter. Wir alle sind mal kurz dumm oder stehen auf der Leitung. Es klingt zwar richtig gut, erwachsen zu sein, aber wir können das Menschsein ja nicht ablegen. Wieso also sollte mir das peinlich sein? Weil wir Menschen doch gern viel perfekter wären als wir es in Wirklichkeit sind. Weil wir die Messlatte im Leben immer sehr hoch legen und uns viel zu oft vergleichen und checken ob wir alles richtig machen.
Meine Güte, selbst diese Erkenntnis hat wieder Jahre gedauert. Wieder ein peinlicher Moment für mich, den ich aber heute gern mit euch teile.
Warum mir am Sonntag diese Zeilen einen ganzen Blogpost wert sind? Wir alle versuchen so krampfhaft das Menschliche zu verstecken. Auf Social Media ist nur Platz für diejenigen die alles im Griff haben, dabei geht es jedem einmal so. Hoffe ich doch!
Liebe Franzi
Oh ja wie gut kenne ich das Gefühl.
Wenn du abends zum Strand läufst in Begleitung deines Mannes und Leuten den du vor gerade mal zwei Stunden das erste mal Guten Tag gesagt hast und plötzlich stolperst du weil der Übergang vom Steg zum Sand im Dunkeln so schlecht zu erkennen ist. Und plötzlich liegst du da lang ,der Sand knirscht zwischen deinen Zähnen und alle schauen auf dich. Sehr peinlich nicht nur für mich auch mein Mann fand es mega peinlich .
Aber egal aufstehen Krone richten und weiter laufen.
Denn erst unsere kleinen Macken machen uns doch zu den außergewöhnlichen liebenswert verrückten Individuen die wir sind.
Und keiner ist perfekt 😊
Ach Franzi.
Wie schaffst Du es, mir so oft den Spiegel vorzuhalten, wo Du doch über Dich sprichst? Meine erste Bachelorarbeit hatte einen ganz großartigen Tippfehler drin, wo ich doch so versessen auf Korrektheit und mein eigener Lektor bin (kann mir ja sonst keiner recht machen), der mich selbst so derart verstört hat, dass ich an mir selbst zweifelte. Denkt meine Professorin, der Vorstand des Lehrstuhls, dass ich gern vulgäre Witze mache? Wie blöd kann ein Mensch sein? Ach ja, SO blöd. Peinlich, peinlich. Ich hab mir dieses möchtegern Wort, das hier nicht hingehört und niemals hier so unkommentiert stehen sollte, so lange angesehen, bis ich selbst lauthals loslachen wollte. Ich konnt mich und meinen tollen Lektor selbst nicht mehr ernst nehmen. Manchmal merkt man einfach, dass das unseriöse Kind in einem nie so ganz stirbt – was ich eigentlich ganz nett finde. Ich weiß nämlich, dass meine Professorin dieses Kind auch noch in sich spürt und sich sehr über ne kleine humoristische (!) Eskapade im trockenen Stoff der Literatur gefreut hat. Und ich mich erst.
Liebste Grüße ❤️