Entschuldigung, ich muss jetzt kurz ausrasten. Ich werde jetzt kurz emotional. Ich lege meinen Löffel beiseite. Einen ganz kleinen. Für kleine Tassen, kleine Kaffees, kleine Finger, kleine Menschen. Im Miniaturwunderland würde ich sie ordern. Hier finde ich sie so winzig, dass ich ganz behutsam versuche den Löffel neben meine halbvolle Tasse zu legen. Ha! Ein Indiz für meine positive Einstellung zum Leben. Ich sage „Halbvoll, nicht halb leer“ zu mir.
Ich atme tief durch, höre auf die Stimme in mir und erkenne an dem Blick meiner Freundin, was ich eigentlich tun müsste. Bleib ruhig, lass sie reden. Lass es sein, es bringt ja nichts außer eine Diskussion, auf die niemand wirklich Lust hat. Aber wisst ihr was? Genau das ist die Einstellung die mir nie etwas gebracht hätte. Ich wäre nie an mir gewachsen, hätte so nie etwas gewagt und wäre nicht übers Ziel hinausgeschossen, um dann zu lernen wie man sich entschuldigt. Ich hätte jemanden der etwas Dummes von sich gibt, nie so in seine Schranken gewiesen.
Das macht man heute nicht mehr, denn jeder hat ein Recht seine Meinung zu äußern. Stimmt, aber mal ganz ehrlich, wenn es saudumm ist, andere verletzt oder einfach nicht stimmt, sehe ich es als meine Pflicht an, kurz die Handbremse anzuziehen, das imaginäre Auto zurückzufahren und mit ein wenig mehr Emotion die Scheibe herunterzukurbeln um zu fragen: Geht es noch? Meinst du das ernst? Gern auch mit einem kleinen Klaps an die Stirn verbunden, als visuelle Unterstützung.
Wir sind so sehr damit beschäftigt, gelassen, in uns ruhend und glücklich auf andere zu wirken, dass wir unsere Umwelt ausblenden. Diese Umwelt die eben auch einmal dumme Sätze hervorbringt. Äußerungen die zu weit gehen und sinnlose Kommentare, die unkommentiert irgendwann als Wahrheit stehen bleiben würden. Jeder Moment in dem wir nicht unsere Stimme und unser Herz nutzen, wird uns weiter davon abrücken, Gefühle zu zeigen und echt zu sein. Emotionen zeigen ist out. Das schickt sich nicht, das ist nicht gut, vor allem als Frau. Hallo, ich könnte euch Geschichten auftischen! Gerade Frauen wollten mir immer wieder gern beweisen, dass eine Meinung zu haben, sie anzunehmen und sie laut auszusprechen, gern als zickig bis weinerlich empfunden wird.
Lass mal gut sein, lass sie reden, lass es doch so im Raum stehen. Werd jetzt bloß nicht emotional. Irgendwann können wir die Luft schneiden, die durch all diesen tolertierten Mist dick geworden ist, nur um ein bisschen weniger Stress im Leben zu haben.
Diskussionen, Gefühle und Meinungen sind absolut anstrengend. Es kostet Zeit sich mit dem Gegenüber zu beschäftigen und zu zu hören, eigene Gedanken zu formulieren und respektvoll zu diskutieren. Beleidigen kann jeder und sinnloses Gelaber ist einfach. Aber mit Herz und zum richtigen Zeitpunkt und zur richtigen Minute sich für das Richtige einzusetzen mit allem was man hat und kann, das ist nicht mehr erwünscht.
„Egal“ schießt es mir durch den Kopf. Was solls. Sollen sie mich doch zickig, anstrengend oder nervig finden. Du bist nicht hier um zuzusehen, wie drei dumme Menschen einen Netten niedermachen, nur weil hier gerade verzogene Gören ihre Laune ausleben müssen. Ich räuspere mich, versuche nicht all zu viel Galle zu spucken und erwähne etwas lauter, dass es doch albern wäre die Bedingung so runterzusauen, ihr zu drohen oder sie als dumm zu betiteln. Kurze Stille. Ich hole tief Luft und weiß, dass ich den folgenden Anhang bereuen werde- aber das Herz kann nicht anders:
„… und liebe Kellnerin, an deiner Stelle würde ich das nächste Mal in den Drink der drei Damen spucken. Oder es zumindest anbieten, denn sie finden, dass dieser Job ja unterste Schublade wäre.“
Jetzt kommt die große Stille. Ich räuspere mich wieder, fühle mich befreit, aber auch schuldig. Keine Ahnung warum plötzlich das schlechte Gewissen einsetzt. Die Weiber waren dreist, frech und absolut nicht in der Lage ihre eigenes Veralten sinnvoll zu reflektieren. Wieso also die Gewissensbisse? Weil ich genauso bin wie alle anderen:
„Was sollen die anderen von mir denken. Ob sich das so schickt?“
Nein. Ich war emotional. Aber es ist ok auch einmal aus seiner Haut zu fahren, um eine Stimme zu bekommen und anderen zu zeigen, wie falsch sie sich gerade verhalten. Die drei Grazien am anderen Ende des Tisches kriegen sich nicht mehr ein. Eine läuft wohl schon blau an. Ich überlege kurz, ob sich das gut zur Farbe ihres Kleides macht und muss lachen, über mich, über uns. Dann beschließe ich zu gehen. Ich schnappe mir meine Sachen, gehe im Stechschritt zur Tür und blicke bloß nicht zum Lärm aus der einen Ecke, wage es aber aus dem Augenwinkel Blickkontakt mit der Kellnerin aufzunehmen. Nur ganz kurz, ich will keine Zeit mehr hier verschwenden. Sie lächelt mir zu.
Auf dem Weg zu meiner Wohnung muss ich mir wieder selbst zuhören. Ich erzähle mir die gleiche Leier: Das ich auch mal den Mund halten kann, dass es mich manchmal einfach nichts angeht, dass man das auch anders hätte klären können.Eine Hand berührt mich und reist mich aus meinem Selbstbestrafungsmechanismus. Meine Freundin, die mit Weitblick und viel Vernunft. Sie lacht laut los. Ich lache mit. Ich bin erleichtert, denn wir denken beide das Gleiche: Die blöden Weiber haben es verdient.
Sie kommt mir ganz nahe und ich rieche den Kirschschnaps noch, das Getränk, dass wir immer ordern wenn wir uns fehl am Platz fühlen. Sie flüstert mir zu:
„Ich hätte es mir nicht getraut. Ich traue mir nicht einmal abzusagen, wenn sie wieder etwas mit uns trinken gehen wollen.“
Ich muss grinsen und kann nur sagen: Das hat sich jetzt eh erledigt.
Krieg dich nicht wieder ein- sei emotional. Sag was du fühlst, auch wenn es vielen erst einmal aufstößt. Entschuldigen kann man sich immer. Aber was nie gesagt wurde, kann nicht mehr geändert werden, besonders wenn du tief in dir drin weißt: Es ist wichtig und richtig.
P.S. Die drei Grazien grüßen mich nicht mehr. Aber ich bekomme seit diesem Abend immer einen Kaffee aufs Haus.
… also wenn eine bedingung 🤔 runtergesaut wird, dann kann man 🙈🙉🙊 oder eben aber zivilcourage wie franzi zeigen und diese innere hürde an überwindung der scheinbaren wohlerzogenheit kostet kraft, die einen ganzen blogartikel nachhallt – letztendlich hat es dich franzi wesentlich mehr aufgewühlt, als es von den drei grazien zu erwarten ist … aber!: dein emotionales handeln macht dich empathisch – wer sagt denn, dass emotionales handeln negativ ist? … die innere stimme?
irgendein thomas
Hallo 🙂
Ich kann dein Handeln nachvollziehen und seit Kurzem habe ich auch begonnen etwas zu sagen und nicht alles hinzunehmen. Finde dein Handeln gut.
vlG
… sehr angenehme sprechstimme franzi auf der soundcloud!!!
irgendein thomas
… solltest du vielleicht auf dieser seite verlinken 😉
Wird eingebaut 🙂 Ich arbeite daran. Danke dir
Wow, toller Beitrag! Kann dir nachfühlen, manchmal muss es einfach raus wenn man das Gefühl hat zu platzen. Ich arbeite in der Baubranche in einer Männerdomäne, als Frau werde ich sehr schnell als zickig bezeichnet wenn ich nur meine Meinung kundtun möchte.
Toll Franzi, weiter so 🙂
Grüsse, Nadine
Ich habe gemerkt, dass es meistens gar nicht so schlimm ist, seine Meinung auch mal deutlicher zu äußern. Oft befürchte ich das Schlimmste, aber meistens geht es nicht nur mir besser, sondern mein Gegenüber versteht was ich meine. Allerdings kostet es mich ganz schön Überwindung. Trotzdem kein Grund nichts zu sagen.
Liebe Grüße und noch eine schöne Woche.
Celine von http://mrsunicorn.de
Wow! Wirklich ganz stark, finde es super!
Irgendwann haben wir angefangen, alles runterzuschlucken, damit man ja nicht negativ auffällt.
– Danke für deine Motivation.:)
Hallo Franzi,
toller Podcast vorneweg.
Super Idee!
Und jetzt zu diesem wundervollen Post. Ich hatte erst vor kurzem wieder einen Streit solcher Art. Und dann kommt jedes Mal, Lisa, du reagierst zu heftig, zu emotional zu bla bla bla.
Und nein, ich habe eine Meinung und die sage ich auch. Ja vielleicht reagiert man manchmal über, aber wie du sagst, entschuldigen kann man sich immer noch, aber runterschlucken und es nicht sagen beschäftigt ein noch viel länger.
Und, vor allem, muss ich jetzt doch mal anmerken, gegenüber Männern, die immer denken, es besser und schlauer zu wissen und zu können, sich durchzusetzen und seine Meinung zu sagen, wird ziemlich oft mit einem, jetzt kommt die Zicke wieder raus, quittiert. Aber gehts noch? Wir haben eine Meinung und die dürfen wir ja wohl äußern.
Du hast mir von der Seele gesprochen.
Danke.
Deine Lisa
„Was sollen die anderen von mir denken. Ob sich das so schickt?“
Genau das ist ja eigentlich typisch Frau (oder?). Ich hab jedenfalls oft das Gefühl, dass eine Frau die Contra gibt, eine andere Meinung vertritt und Leidenschaft dabei zeigt schnell als Zicke oder Drachen abgestempelt wird, der gerade bestimmt seine Tage hat. Oder untervögelt ist.
Leider trifft das auch nur auf uns Mädels zu, von Männern die das gleiche tun, spricht man nicht so abfällig. Im Gegenteil, die zeigen dann Charakter.
Hier lohnt es sich noch, richtig einen auf Feministin zu machen und trotzdem „nein“ zu sagen. Egal was andere denken.
GLG Biene
http://Lettersandbeads.de