Es gibt Eigenschaften die wir verstecken. Es gibt Gedanken, die teilen wir ungern oder sprechen sie selten an.
Denn als Frau gehören sie sich einfach nicht. Also spielen wir ein Spiel. Wir legen uns ein Image zu, um es leichter zu haben. Um besser zu leben.
Frau Nummer 1: 24 Jahre alt und will nicht gönnen.
Geld. Ich liebe und hasse es zugleich. Wie das geht? Ganz einfach: Ich hasse es, wenn es andere haben. Aber ich liebe es, wenn ich es habe. Ihr seid jetzt schockiert? Ach kommt. Wie oft höre ich Lästereien und Neiddebatten über das, was andere haben? Schon wieder ein neues Auto? Schon wieder die neueste Zara-Kollektion komplett im Schrank? Dann tuscheln wir, vermuten, dass die Freundin aus reichem Hause kommt oder der Mann genug verdient um das alles zu stemmen. Ich liebe es auch Geld auszugeben, ob von mir verdient oder von meinem Mann. Dennoch ärgert es mich auch mit fortschreitendem Alter, wenn andere Frauen und gern auch Freundinnen in meinem Umfeld mehr haben als ich. Auch wenn ich im Grunde weiß, dass das im Leben nicht zählt, sind wir Deutschen in der Sache doch oft gleich erzogen.
Wir leben in einer Neidkultur und ich bin ein Teil davon.
Ich tue nur nicht so, als würde ich jeder Frau immer alles gönnen. Nein, ich kann manchmal richtig sauer werden, wenn das kleine Girl von nebenan wieder eine Chanel umhängen hat. Obwohl ich weiß, woher das Geld kommt und auf was dann verzichtet werden muss. Ich bewundere und beneide auch den begehbaren Kleiderschrank meiner besten Freundin und ja, manchmal muss ich dann zu Hause Dampf ablassen. Ich gönne selten anderen etwas und bin mir dieser Worte auch bewusst.
Wer behauptet, er würde nie etwas neiden, der lügt- zumindest habe ich noch nie so eine Frau getroffen, außer sie hat jedem materiellen Wert abgeschworen. Aber die kenne ich nicht. Ich bin die Frau, die auch auf ihre Freundinnen neidisch ist und nicht gönnt.
Frau Nummer 2: 35 Jahre alt und redet nie über negative Dinge.
Ich baue die schönsten Luftschlösser, nur um anderen keinen Einblick auf meinen echten Zustand zu bieten. Ich kann nicht über meine Probleme und das was mich stört reden. Wenn etwas schief läuft, rede ich es mir und anderen einfach schön. Weil es mir schwer fällt jemandem wirklich zu erzählen, wie es bei mir manchmal aussieht. Ich drücke mich vor solchen Situationen, weil sie mir so zuwider sind, dass ich bis heute manche Gespräche einfach durch schweigen oder verschwinden beendet habe. Ich will, dass andere sehen wie gut es mir geht und wie toll mein Leben läuft. Ich will nicht die sein, die Schwächen oder Makel hat. Ich kann das bei anderen verkraften, aber mir gibt es diese Zeiten nicht. Ich hätte Angst Freunde zu verlieren, und dass Menschen dann über mich und mein Versagen reden.
Bei mir ist jeder Tag eitel Sonnenschein, auch wenn mir nicht danach zu Mute ist.
Ich will nicht ständig alles zerreden, was keine gute Laune bringt. Ich will nicht konfrontiert werden mit meinen Fehlern oder mit falsch gewählten Worten oder Taten. Daher sage ich zu bestimmten Themen oft nichts oder stimme meinem Gegenüber einfach zu, weil ich keinen Streit und den damit einhergehenden Stress möchte. Ich will meine Ruhe- und mein Bild vom perfekten Leben.
Und das kommt auch an. Ich habe einen festen Freundeskreis und gute Freunde. Ich habe für mich gemerkt, dass fast niemand wirklich die Wahrheit hören oder sich damit beschäftigen will. Wir haben mit dem Älterwerden genug zu tun, wieso dann noch sinnlos stressen?
Richtig, daher bin ich die Frau, die ihr Leben immer gut aussehen lässt.
Frau Nummer 3: 27 Jahre alt. Ich tue nett, bin es aber vielleicht gar nicht.
Ich war schon immer everybody’s Darling. Ich klimpere mit meinen Wimpern, schaue etwas betrübt und jeder ist wieder lieb zu mir. Ich muss mich nicht so sehr bemühen wie andere. Alles was ich tun muss um weiterzukommen, ist nett zu sein. Das habe ich früh gemerkt. Bei Männern wie auch Frauen. Ich muss lediglich so wirken, als ob ich der liebste Mensch auf Erden wäre, das ist die beste Art um im Leben voran zukommen. Ich rette die Welt, denke an meine Nächsten, sage liebe Worte. Das wiederhole ich täglich, erwähne es bewusst oder betone es nebenbei, und schwups seid ihr alle in meinem „Die ist aber auch so nett“- Bann. Ich weine sogar, wenn es mal passt und bin einfach immer lieb. Es erspart mir so viel, was ich nicht unbedingt machen will, oder ich kann den einen oder anderen Fehltritt ganz schnell unter den Teppich kehren. Jeder denkt, dass ich keiner Fliege etwas tun kann und dass ich ruhig und ausgleichen bin und das perfekte Leben lebe. Viele wollen immer etwas mit mir machen und mit mir befreundet sein. Was will ich mehr?
Denn die Nette ist ja keine Konkurrenz, die Liebe macht keinen Ärger.
Nett fällt nicht auf und ich bekomme am Ende immer das, was ich will. Ich habe damit auch kein Problem. Ich will gar nicht zeigen, was ich wirklich denke oder fühle. Es bringt doch nichts sich in einer Gesellschaft aufzulehnen, die durch Stereotypen geprägt ist. Mich gibt es nur so wie ich bin, weil wir das im Grunde alle wollen.
Wir wollen das liebe nette Mädchen als Freundin, als Frau und als Angestellte. Niemand möchte eine Frau, die mehr macht als nett zu sein. Und damit kann ich hervorragend leben, denn ich bekomme was ich will.
Ich bin die Frau, die immer die Nette spielt. Wer ich wirklich bin? Na, ihr wisst ja wie das Spiel läuft.
Und wer bist du?
Was würdest du gern über dich erzählen obwohl du weißt, das würde dir das Leben erschweren oder Menschen schockieren?
Ich muss gestehen, dass ich mir mittlerweile im Internet lieber bunter Bilder anschaue als mir was durchzulesen. Aber deine Kolumnen sind wirklich flott und auf den Punkt. Und bei dieser hier musste ich öfter schmunzeln …