Kolumne

Was ist dein Schatten? Was ist dein emotionaler Ballast?

Drei Frauen drei Meinungen- Was ist dein Schatten? Was ist dein emotionaler Ballast?

Woher kommt das Gefühl, nie komplett oder nie genug zu sein oder gefühlt immer wieder nicht geliebt zu werden? Es sind oft die kleinen Geschichten, die uns prägen. Die wir mit Menschen verbinden, die wir eigentlich lieben sollten und sie uns.

was ist dein schatten deine emotionale Hürde im Leben

Langsam aber sicher bildet sich dann ein Schatten in unserem Herzen- Ein Loch, das gestopft werden muss, eine innere Stimme die uns immer wieder anschreit, ein Gefühl das uns nicht zur Ruhe kommen lässt, egal was wir tun.

Was hat dich so sehr geprägt, dass du immer wieder damit zu kämpfen hast, das dich unbewusst oder bewusst in deinem Alltag einfängt, niederzwingt und dich manipuliert?

Was ist dein Schatten?

Frau Nummer eins: 34 Jahre alt, bereits Mutter und dennoch unsicher.

„Ich bin eine gute Mutter“, das sage ich mir jeden Tag. „Du wirst nicht wie sie. Du wirst dein Kind nicht im Kindergarten vergessen, du wirst es nicht in dem einen Moment anschreien, im anderen herzlich in den Arm nehmen. Du wirst nicht tagelang im Bett bleiben und alles stehen und liegen lassen. Du wirst nicht aus Versehen die Gardinen im Wohnzimmer niederbrennen und heulend in der Küche sitzen, um am nächsten Morgen eine Ausflug mit deinem Kind zu planen, das du zuvor vier Tage allein zu Hause gelassen hast.“ Ich habe meine Mutter geliebt, aber sie konnte mich nicht so lieben wie sie es gemusst hätte.

Sie war krank, im Kopf und im Herzen, das weiß ich heute.

Ich weiß heute auch, dass ich als kleines Mädchen nicht verstehen konnte, was mit meiner Mutter wirklich los war. Ich vermutete lange Zeit ich wäre das Problem. Ich wäre zu laut, zu schnell, zu viel. Ich weiß heute, dank einer Therapie nach der anderen, dass ich an der Krankheit meiner Mutter keine Schuld trage. Dennoch wache ich immer wieder schweißgebadet auf und schaue nach meiner Tochter. Ich versichere mich, dass sie atmet und das es ihr gut geht. Ich beobachte sie, ich frage mich ob ich diese Krankheit auch in mir trage und ob meine Tochter sie auch bekommen kann. Ich schrecke manchmal aus dem Nichts zusammen und zweifle an der Echtheit meiner Liebe zu meinem Kind. Ich denke oft genug ich könnte es nicht schaffen, ich werde Fehler machen und sie wird mich nicht mehr lieben. Ich habe eine große Angst in mir, dass meine Tochter irgendwann zu mir sagen wird „Du warst wie deine Mutter zu dir“: Nie da und nie stark für mich.“ Mein Schatten ist die Krankheit meiner Mutter. Ich bekämpfe ihn, werde ihn aber wohl nie ganz los. Das macht mir jeden Tag Angst.

Frau Nummer zwei: 27 Jahre alt und wieder Single.

Ich lebe mein Leben. Ich habe einen Job, eine Wohnung und bin an ganz vielen Tagen glücklich. Wenn ihr mich kennenlernen würdet, fändet ihr mich nett. Wir würden uns verstehen, ich kann gut mit Menschen, mit Frauen wie auch Männern. Ich hatte auch schon viele Beziehungen und kurzweilige Begegnungen, bin aber ich nie wirklich verliebt gewesen. Ich kenn das Gefühl nicht wirklich. Ich werde wohl auch nie längere Zeit mit einem Mann zusammen sein können. Das auf Dauer widerstrebt mir. 

Mir fällt es nicht schwer darüber zu reden,

weil es sich so anfühlt als wäre es mir nicht passiert.

Immer wenn ich daran denke, an meine Sommerferien auf dem Land, ist es als ob ich einen Kinosaal betrete und einen Film ansehe. Ich sehe mich und diesen Mann, der jeden Sommer nachts in mein Bett kam und wir zärtlich waren. Ich sehe, wie ich das nicht wirklich wollte, aber es ihm zu Liebe tat, weil er ja unser Nachbar war. Ich sehe wie ich älter wurde und ich nicht mehr jeden Sommer dort war, und ich sehe wie ich es nie jemandem erzählt habe und es fast vergessen hätte. Dann verlasse ich das Kino und bin wieder bei mir.

Das ist mein Schatten, mein kleines aber großes Problem. Ich dachte ich kann das vergessen und war zwischenzeitlich auch der festen Überzeugung, dass es nie passiert ist- Aber wieso denke ich jetzt nach 20 Jahren wieder an diese Zeit? Wieso wache ich nachts immer noch auf, schaue auf die leere Bettseite und taste nach etwas, was nicht da sein kann? Wieso konnte ich in den letzten Beziehungen nie wirklich alle Liebe weitergeben und wieso ist die letzte Liebe an meiner emotionalen Unterkühlung gescheitert? Ich dachte immer es ist nicht wirklich passiert. Ich dachte, wenn ich mir immer jemanden suche der mich liebt, wird dieser Schatten verschwinden. Aber ich glaube ich brauche Hilfe, denn sonst werde ich viellicht für immer allein bleiben. Weil ich nicht lieben kann.

Frau Nummer drei: 54 Jahre alt und immer noch nicht glücklich.

Mein Haus, mein Auto, meine Familie. Ich habe alles. Ich war die Klassenbeste, habe sofort nach dem einsnuller Abitur Auslandspraktika absolviert, mich schon im Studium bei den großen Firmen beworben und für jeden neuen Aufstieg alles gegeben. Meinen Mann habe ich im Job kennengelernt, die Kinder haben wir beide zusammen neben dem Beruf großgezogen. Ich habe ein großes Haus vor mir und wenn ich im Garten stehe, im Teich neben mir schwimmen Zierfische im Wert eines weiteren Einfamilienhauses. Mein Mann ist ein zuvorkommender, hilfsbereiter Mensch, eine Stütze in meinem Leben und immer für mich da. Unsere beiden Kinder sind zu klugen und mitfühlenden Menschen herangewachsen und kommen uns regelmäßig besuchen. Wir konnten immer reisen, wir konnten uns immer etwas leisten. Aber nichts von dem hat mich je dazu gebracht, mir selbst irgendwann einmal zu sagen, dass ich mich glücklich schätzen kann.

„Sei stolz auf dich und auf das, was du dir mit deinem Mann aufgebaut hast.“

Wenn ich in den Spiegel blicke, sehe ich immer wieder das kleine Mädchen, deren Vater seit ihrer Geburt von einem Unfall und von einer großen Last gesprochen hatte. Nie hatte er ein gutes Wort für mich übrig, nie war er stolz, nie konnte ich ihn zufriedenstellen. Als er starb dachte ich der Schatten, den er mir auferlegt hat, wird mit ihm ins Jenseits gehen. An manchen Tagen hoffe ich das wirklich, an anderen weiß ich, dass er  immer noch da ist. Es ist ein Schatten, der mir nie erlaubt hat auf mich stolz zu sein und zu genießen, was ich mir aufgebaut habe.

Ich renne selbst nach dem Tod meines Vaters noch seinem Wohlwollen hinterher.

Was ist dein Schatten, mit dem du zu kämpfen hast?

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