Es klingelt. Ich gehe an die Tür, öffne sie und werde gefragt, ob meine Eltern da sind. Dass ich hier gemietet habe und selbst wohne, passt scheinbar nicht ins Bild.
Ich parke in einem Zug rückwärts ein und steige aus. Es war kein großer Akt, sonst brauche ich wirklich mehrere Anläufe, aber heute habe ich einfach einen Lauf. Doch der Bauarbeiter nebenan fragt: „War es schwer rückwärts einzuparken?“ Ich zucke mit den Schultern. Ich gehe ins Kino, lasse meine Karte kontrollieren und werde gefragt, ob ich allein hier sei. Ich sage nur „Ja…“ und „…war schon öfter so“. Ich bin auf dem Weg nach Hause und halte ein Paket in der Hand. Unsere Blicke treffen sich nur ganz kurz im Vorbeigehen auf dem gemeinsamen Weg und er fragt, ob das Paket nicht ein wenig zu groß für so eine kleine Frau sei.
Ich kann alle Fragen mit „ja es ist ok so“ beantworten.
Ich frage mich aber dann trotzdem die ganze Woche wie dumm, seicht, klein und zierlich ich auf andere wirken muss, dass mir so oft nicht zugetraut wird in dieser Welt zu leben und zu überleben. Vorweg: Natürlich sind das irgendwie auch nett gemeinte Gedanken. Sie machen sich Sorgen, auch wenn sie mich nicht kennen. Sie fragen nach, halten Türen auf und sind bei ihrer Wortwahl sogar vorsichtig. Sie wollen mir nicht auf den Schlips treten, tun es aber dann doch irgendwie. Vor allem dann, wenn noch die richtig miesen Urteile mitschwingen. Die Äußerungen, die ich heute nicht mehr nachvollziehen kann.
„Ich stelle mich in einer Runde vor und werde nach fünf Minuten schon gefragt, wie ich das alles geschafft hätte mit meiner Jobwahl, dem Blog und Instagram. Doch bestimmt niemals allein, weil das ja logisch wäre. Weil …“
… ich so aussehe wie ich aussehe? Weil ich eine Frau bin? Weil im Jahr 2018 niemand mehr irgendetwas allein wuppt? Weil wir nicht sehen wie andere arbeiten, einen Traum haben und dran bleiben?
Ich weiß nicht, wieso mir hier mit Absicht auf den Schlips getreten wird.
Auf diese Woche folgten am Abend zwei Gläser Wein, mit mir allein in der Wohnung und der dringenden Frage: „Wie kann jemand aussehen und wie kann jemand auftreten, der es selbstständig schafft einzuparken, Wohnungen zu mieten und sich eine Existenz aufzubauen?“ Ich dachte ja immer, dass wir alle irgendwann an dem Punkt sind, an dem wir allein auf unseren eigenen Beinen stehen müssen. Ich bin das gefühlt schon eine ganze Weile, weil ich es wollte. Weil ich eine große Klappe und einen großen Willen besaß. Weil mir meine Großmütter mit ihren starken Charakteren ein gutes Vorbild waren, weil ich gern etwas eigenes schaffen wollte. Ich habe mich wie Millionen anderer Menschen durchbeißen und meine eigenen Ängste überwinden müssen und angefangen, selbst laufen zu lernen in unserer Welt.
DIESE ist auf jeden Fall verrückt und tickt schnell und suggeriert dir immer wieder, dass du ersetzbar bist, oder es eben nicht so ganz schaffst im Alltag und im Leben.
Ich weiß, heute sind es oft Floskeln, Unwissenheit und Vorurteile, die solche Äußerungen hervorbringen. Aber wichtig wäre es, sie nicht immer wieder auszusprechen. Ich möchte gar nicht so klein und zierlich sein. Ich will mit anpacken, für voll genommen werden und nicht darauf warten,
….dass meine Falten meinem Gegenüber endlich verraten, dass ich was kann, weil man mir das Leben endlich ansieht.
Ich kann schon jetzt etwas. Ich habe es geschafft, mir ein Leben aufzubauen. Ich parke aber in 80% der Fälle noch immer schlecht ein, verfahre mich regelmäßig, bin tollpatschig, müsste mehr spenden, könnte noch mehr lesen und mich mehr bilden. Aber ich laufe selbstständig durch diese Welt und kann auch etwas zurückgeben und hier ist nicht nur die Rede von Steuern und einem netten Lächeln.
Ich bin nicht nur ein Gesicht das nett aussieht und immer wieder lieber bei Mutti wohnen würde. Das hier bin ich, eine Frau mit einer ganz großen und frechen Schnauze und sogar ganz oft mit einem Dahinter steckt so gar mehr. Das finde ich gut und das hätte mir gern viel früher jeder zutrauen dürfen, ob Familie, Freunde oder Gesellschaft. Dann hätte ich mich vielleicht viel früher an Dinge getraut. Dann würden wir nicht immer nur abwarten und zweifeln. Wir sollten anfangen, uns selbst und anderen etwas zuzutrauen und nicht auf das Alter und das Aussehen vertrauen. Das täuscht oft genug.
„Ich schaff das schon allein, aber danke der Nachfrage.“
Und wenn ich Hilfe benötige, dann sage ich das natürlich auch. Ist ja kein Beinbruch, sich helfen zu lassen.
Wieder einmal hast Du es geschafft, dass ich mich so sehr verstanden und nicht ganz so klein fühle in dieser Welt. Viel zu oft denken wir, dass wir allein sind mit unseren grüblerischen Gedanken an Emanzipation und die Rezeption der Frau in unserer verworrenen Zeit – und dann kommst Du und sprichst aus, was so manch moderne Frau stets gutmütig belächelt: Sexismus ist nach wie vor ein Problem. Boys will be boys ist keine Ausrede mehr und es ist richtig und wichtig, deiner Leserschaft das ab und an mal wieder ins Gedächtnis zu rufen. Wunderbarer Artikel mit sorgfältig gewählten Worten. Liebste Grüße
Liebe Franzi,
auch ich bin klein, blond und zierlich! Und ich werde grundsätzlich viel jünger geschätzt als ich bin (vermutlich weil ich klein und blond bin???)
Ich mache Tag täglich die gleichen Erfahrungen, es geht sogar so weit, dass Kunden bei der Arbeit den Azubi als meinen Chef ansehen, weil er ein Mann ist, und ich kann ja unmöglich seine Ausbilderin sein!
Meistens kann ich darüber Schmunzeln, aber manchmal treibt es einen doch in die Verzweiflung!
Liebe Grüße und danke für deinen tollen Blog
Caro
Mir geht es genauso, 25 Jahre, klein und zierlich. Ich arbeite intern in einer Zeitarbeitsfirma und bin so gesehen in der Position des Arbeitgebers aber viele kommen damit nicht zurecht, zweifeln an meiner Kompetenz und wollen dann mit einem männlichen Kollegen sprechen. 🤷🏻♀️ Letztendlich ist es dann meistens aber so das besagter Kollege wirklich exakt das selbe wie ich sagt. 🙄 Bin ja ne Frau, da kann man wohl schneller zweifeln.
Ich bin nicht klein, schon gar nicht blond und um zierlich zu sein müsste ich ungefähr 20 kg abnehmen. Aber trotzdem geht es mir genauso. So jung und schon selbstständig (hey, nächstes Jahr werde ich 40, wie lange hätte ich noch warten sollen?)? Ist es nicht schwierig in der Stadt mit dem großen Auto, so für ein Mädchen (ähm, das ist ein Skoda Octavia, also nix besonderes, und wird ganz bestimmt für Männer und Frauen gleich groß gebaut)? Als Frau einen eigenen Betrieb mit so vielen Angestellten? Ohne weitere Worte…