Kolumne

Sunday thoughts: „Ich habe für jede Designertasche arbeiten müssen“

„Ich musste immer für alles arbeiten. Jede Designertasche habe ich selbst bezahlt.“ 

Mir zieht sich innerlich alles zusammen. Ich möchte mein Glas abstellen und gehen, will gar keine Diskussion anfangen, aber ich höre es mich schon sagen, noch bevor ich mich selbst maßregeln kann:  

„Ich musste auch für alles arbeiten, damit ich am Ende des Monats etwas zu essen hatte und meine Miete bezahlen konnte.“

Verdammt, du wolltest doch nichts sagen, du wolltest nichts ins Rollen bringen. Du hast es aber wieder nicht geschafft einfach einmal die Klappe zu halten. Ich hasse es, wenn es darum geht wer etwas verdient hat oder hätte. Ich hasse diese Gespräche über das viel anstrengendere Leben und die Verteilung von Arm und Reich. Ich mag den Gedanken nicht, dass man mehr arbeiten hätte müssen. Aber ich bin ehrlich: Ich hatte zu keiner Zeit die Möglichkeit, mir von jemandem Miete und Taschengeld vorstrecken zu lassen, sodass ich meinen Verdienst neben der Schule oder während des Studiums für Luxusgüter ausgeben konnte. Es war einfach nicht drin. Keine tollen Parties am Wochenende, sondern morgens im Laden stehen und am Abend kellnern. Aber ich wollte es so, denn ich wollte auch leben, ich wollte mir etwas aufbauen. Ich gebe dafür niemandem die Schuld. 

Ich liebe meine Familie, denn sie hat immer versucht mir alles zu ermöglichen, aber eine geldsorgenfreie Zeit war nicht drin.

Ich konnte keine Jobs ablehnen, ich konnte keinen Urlaub buchen, ich konnte ab und an nach Hause fahren und gerade so vier Wochen im Ausland studieren, denn dann war das Geld schon aufgebraucht und ich musste zurück in meine Realität.

Gab es Momente in denen ich das verflucht habe? 

 

 

 


 

Ja.

Ehrlicherweise vergleicht man sich schnell, vor allem wenn man mehr will und das Leben anderer kennenlernt.

Früher StudiVZ, dann Facebook, dann Blogger sein und heute auch auf Instagram. Das Leben ist voller schöner Momente oft genug bei Anderen zu sehen und alles sieht immer so verdammt leicht aus. Ich habe aber lernen dürfen, dass all das mich nicht zu einem schlechteren Menschen machen. Im Gegenteil. Ich bin daran gewachsen. Ich wusste früh, dass einem nicht viel geschenkt wird. Ich wusste, dass ich irgendwann mein Geld verdienen und es so ausgeben kann wie ich es will. Ich wollte es mir selbst erarbeiten. 

Dahinter steckte kein Daddy, der mir das Studium finanzierte, auch wenn ich es mir manchmal heimlich gewünscht habe. Dahinter steckte immer wieder die Gewissheit Abstriche zu machen: Der Studienplatz in keiner großen teuren Stadt, kein unbezahltes Praktikum, dafür drei oder vier Jobs neben dem Studium um überhaupt studieren zu können. Das hat keiner von mir verlangt und das hätte ich auch einfacher haben können. Daher musste ich diesen Weg gehen und mich auch diesen Gedanken stellen, dass andere scheinbar einfachere Vorraussetzungen haben. Diese Gedanken haben mich zwar selten verfolgt und ich versuchte sie nicht ernst zu nehmen, aber sie waren dennoch da.

Neid ist ein Teil in uns Menschen, der vor allem dann wächst und gedeiht, wenn kein Ende in Sicht ist. Es lebt sich kurz einfacher damit, weil ich Dampf ablassen und kurz Luft holen kann, am Ende macht er aber nichts besser, oder einfacher.

 

Kurz nachdem ich das ausgesprochen habe ist es still am Tisch. Ich schäme mich, räuspere mich und will die Situation retten. Aber eigentlich ist es nicht verkehrt das auszusprechen, was bei anderen immer so leicht aussieht. Vielleicht ist es auch wichtig es mit euch zu teilen, dass das hier alles auf meinem Mist gewachsen ist und ich mit Hilfe von ganz wunderbaren Menschen in meinem Umfeld meinen eigenen Traum verwirklichen konnte. Kein rosa roter Watteweg, der auch zehn Jahre auf sich warten ließ und für den ich viel Zeit am Schreibtisch und bei unzähligen Nebenjobs verbracht habe, um jetzt zu sagen, dass es passt. Ich bin stolz auf meinen Weg, kann aber auch anderen den Erfolg gönnen, den sie sich aufgebaut haben, egal unter welchen Umständen.

Ich entschuldige mich und gebe genau diese paar Zeilen laut von mir, um vielleicht auch für mich wieder zu wissen, dass jeder irgendwie das Beste aus seinem Leben machen will und jeder seine Problemchen hat.

Einen Tag später fühlt sich dieser dumme Satz immer noch falsch an und ich muss mir überlegen, ob nicht doch mehr dran ist an der Sache mit dem einfacheren Weg im Leben. Oder ob ich es als Möglichkeit sehe, mir wieder bewusst zu machen, was für ein Glück ich habe, und das es nicht einfach ist, seinen Weg zu gehen und die richtigen Prioritäten für sich zu setzen. 

Es ist auf jeden Fall nicht die Designertasche, das kann ich euch verraten. Die macht dich nicht glücklicher. Es ist auch nicht der Vergleich mit dem Leben anderen. Das habe ich auch schon alles einmal durchgekaut. Wenn ich mehr weiß, lass ich es euch wissen.

 

Alles Liebe

Kommentare

Bisher 8 Kommentare zu “Sunday thoughts: „Ich habe für jede Designertasche arbeiten müssen“”

  1. Nisha sagt:

    Weißt du, was ich schön finde. Dass du das alles so friedlich und ohne die sonst so übliche Gehässigkeit bei diesem Thema formulierst.
    So oft, wenn es darum geht, dass Menschen einfach mit unterschiedlichen monetären Voraussetzungen ins Leben gehen bzw. anders unterstützt werden, fallen Phrasen wie „alles in den A**** geschoben bekommen“ und dann wird betont, dass man ja so froh darüber ist, von zuhause nicht unterstützt worden zu sein und dann denk ich mir immer, dass das einfach ne glatte Lüge ist.
    Ich wär froh gewesen, neben dem Studium etwas weniger arbeiten zu müssen oder ab und zu ein bisschen Extrageld auf dem Konto zu haben und ja, ich war oft neidisch auf die, bei denen das alles kein Problem war.
    Damals habe ich auch diese extrem gehässigen Formulierungen gebraucht, wohl auch, um mich selbst besser zu fühlen.

    Ich habe (wie du wahrscheinlich auch) einige Zeit gebraucht, um mich damit zu versöhnen.

    Heute bin ich lustigerweise in der genau umgekehrten Situation: Mein Mann ist selbständig, hat eine eigene Firma und verdient sehr gut. Ihm ist es deshalb möglich, mir oft luxuriöse Geschenke zu machen, wir fahren so oft es geht, in den Urlaub, haben ein sehr großes Haus etc. Ich werde dafür oft angefeindet bzw in eine Schublade gesteckt. Von außen sieht das alles toll und rosig aus und scheint in der einen oder anderen scheinbar ganz üblen Neid zu wecken. Dass der Preis dafür aber ist, dass mein Mann nie wirklich abschaltet, auch im Urlaub seinen Laptop dabei hat und wir weniger gemeinsame Zeit haben als alle anderen Paare, die ich so kenne, will aber keiner sehn.

    Es gibt einfach immer zwei Seiten der Medaille, das weiß ich jetzt auch.

    • Franzi sagt:

      Ich glaube, wenn ich das schreiben würde- hätte ich eben wirklich ein Problem. Aber genau deshalt wollte ich es erzählen. Es ist wie es ist, man kann sich seinen Start ins Leben nicht aussuchen. Ich glaube auch, dass es manchmal unfair zugeht- ich aber trotzdem sehr viel Glück im Leben hatte. Aber dieses ganze Thema Geld und Prestige kann einen schnell schlucken und dann möchte man etwas sein, was am Ende nichts aussagt oder im Leben zählt. Been there done that. Ich hoffe ich habe nur gut genug daraus gelernt. Alles Liebe dir!

  2. Franzi sagt:

    Toller Beitrag 🙂 mir ging es genauso. Und deine Antwort ist einfach perfekt! Durch diesen (unseren) Weg lernt man glücklicherweise viel mehr zu schätzen und auch diversere Werte- und Moralvorstellungen.
    Toll! Danke und liebe Grüße 🙂

  3. Mrs.Herzensangelegenheit sagt:

    Mir gefällt der Text sehr gut und es zeigt, dass es auch immer eine Einstellungssache ist, wie man mit manchen Dingen umgeht. Du hättest in der harten Zeit griesgrämig werden und dich permanent bedauern können. Deinen Zeilen entnehme ich aber, dass dem nicht so war – ein gutes Ergebnis in der Schule des Lebens.
    Und übrigens: ich finde es nicht schlimm, manche Aussagen zu kontern (unabhängig vom Thema). Wie oft bläst das Gegenüber ungefiltert seine Meinung raus, ohne nachzudenken und sich zu entschuldigen.

    • Franzi sagt:

      Danke dir. Ja ich glauube, ich habe das ganz gut umsetzen können. Und ja, manchmal überlege ich, ob es besser ist, den Mund zu halten. Aber am Ende klappt das fast nie ;).

  4. Kathi sagt:

    Wunderbarer text, danke für deine ehrlichkeit und gelassenheit. Hier mal vorbeischauen zahlt sich wirklich so gut wie immer aus 🙂

  5. Anonymous sagt:

    Für genau diese Beiträge klicke ich gerne auf deinen Blog, danke dafür 🙂

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