2017 geht zu Ende. Ich möchte mich persönlich von einem Menschen verabschieden.
„Egal was war, egal was kommen mag, das Wichtigste ist das Hier und Jetzt.“
Es war ein Jahr wie jedes andere. Dachte ich mir. Zu Beginn voller Hoffnungen, mittendrin mit Wünschen gefüllt und am Ende mit einer Gewissheit versehen: Nichts verändert einen Menschen so sehr wie ein Abschied auf immer. Nichts lässt einen so sehr über das eigene Leben nachdenken wie der Verlust einer geliebten Person. 2017 musste ich mich von einer großartigen Frau in meinem Leben verabschieden. Alles was war und was kommen wird, wird nicht mehr so sein. Nicht schlechter, nicht schlimmer, nur einfach anders als vorher geplant. Ich habe nicht mehr die Möglichkeit dir etwas zu erzählen, dir noch einmal zu sagen wie wichtig du mir immer noch bist und wie dankbar ich dir für deine Mühe und Liebe bin, die du völlig selbstlos in mich gesteckt hast. Ich kann jetzt der Mensch sein, auf den du hoffentlich mit stolz und viel Liebe blickst, wo auch immer du jetzt sein magst.
Was wollte ich dir sagen? Hätte ich dir noch etwas zu sagen gehabt?
Unendlich viel von mir liebe Oma, was ich jetzt nicht mehr mit dir teilen kann. Gedanken, Gefühle, was jetzt passiert, was dank dir aus mir geworden ist. Ich war ein Wildfang. Zumindest hast du mich immer so genannt. Ungeduldig. Laut, frech, blonde Locken, aufgeweckt. Ganz wie du, ganz wie die Großmutter. „Ein Schlag! Wie aus dem Gesicht geschnitten“ hieß es im Konsum nebenan immer, wenn wir beide, ich Knirps und du gestandene Frau, auftauchten um gemeinsam Stunk zu machen. Weil die Kassiererin wie immer mehr Geld einbehielt als sie sollte und mich um mein hart erspartes Taschengeld bringen wollte.
Wir waren eins und ich wuchs an deiner Seite auf, ich lernte was es heißt stark zu sein und nicht drauf zu vertrauen, dass andere mein Leben meistern werden. Du hast mir immer wieder den Mut gegeben, die richtigen Worte ausgesprochen, um das durchzuboxen wofür mein Herz brannte. Mal das Brot mit Salz, was ich Monate lange jeden Morgen essen wollte, mal die kurzen Haare, die ich mir selbst schneiden durfte und mal die Freundin, die nicht gut für mich war und das auch gesagt bekommen sollte.
Immer mit Blick auf mich, immer mit einem Urvertrauen in mich als kleines Wesen, was heranwachsen wird zu einer starken Frau, wie du sie für mich immer warst.
Ich hatte ein so gutes Vorbild, dass ich kaum merkte wie schnell ich erwachsen wurde und dabei immer auf dich zählen konnte. Dein Wort, dein Mut und deine Einstellung haben mich zu dem gemacht was ich heute bin. Jemand der nicht aufgibt, der sich selten zu ernst nimmt, der das Leben versucht mit einem Lächeln zu meistern und mit Sicherheit weiß, dass die Welt sich auch ohne mich weiterdrehen wird. Aber immer mit der Überzeugung immer wieder das Beste zu geben, um die Welt für mein Umfeld ein Stück besser zu machen. Das alles habe ich von dir gelernt. Du warst immer an meiner Seite, du hast mich immer wieder zurechtgerückt, du hast mir Grenzen gesetzt, mir Wege aufgezeigt, mich ermuntert aber auch ermahnt, nie zu lange etwas oder jemandem hinterher zu trauern. Das galt ebenso für die Liebe, für Liebeskummer und neue Lebenswege. „Der taugt nichts“- war immer wieder ein Satz, der alle Tränen verdrängte.
Du hast mich immer wieder aufgefordert selbst etwas zu tun, selbst das Problem anzugehen, selbst die Hürde zu nehmen und dabei nie zu vergessen, wer hinter mir steht. Dein grenzenloses Vertrauen in mich hat mich stark gemacht. So stark, das unser Abschied voller Trauer aber auch schöner Momente war. Die Momente die wir noch teilen konnten und die Gespräche die wir noch führen durften, der Moment in dem wir beide wussten, jetzt wird das Wiedersehen nicht mehr so einfach klappen. Kein Zug, keine Bahn, kein Flieger kann mich jetzt mehr zu dir bringen. 2017 mussten wir uns verabschieden. Du wolltest gehen und ich wollte dich gehen lassen.
Wir beide haben uns gebraucht, uns gegenseitig unterstützt. Jetzt bin ich erwachsen und die starke Frau, die ich in dir immer gesehen und bewundert habe. Vielleicht war das der Sinn unserer gemeinsamen Reise. Du hast alles erreicht, was du wolltest. Du hast alles für deine Familie gegeben. Falls wir uns einmal wiedersehen, dann hoffentlich am Kaffeetisch. Ich mit Kaffee, du mit Tee und fünf Löffel Zucker. Ich mit dem Hinweis, dass es zu viel Zucker ist, du mit einem lauten Lachen und Zischen: „Sei still mein Wildfang. Zucker macht lustig.“
Alles Liebe. Ich werde dich nie vergessen, denn ich bin wie du und stolz drauf.
Kein Text um Tränen zu verlieren. Kein Text der zeigt, wie traurig ich bin. Ein Text der zeigen soll, wie großartig meine Großmutter war, ist und sein wird.
„Ungeduldig. Laut, frech, blonde Locken, aufgeweckt“ – du bist doch gar nicht naturblond. Zumindest wirkt deine haarfarbe nicht auf mich so.
Meine Großmutter würde zu dir sagen: „Erst denken, dann schreiben Kind.“
Es ist ok, wenn du dir diese für dich wichtige Frage stellst. Aber ich hoffe, nicht um mir meine Worte zu meiner Großmutter schlecht zu reden. Dann würde das sehr viel über dich aussagen.
Alles Liebe dir, die aschblonde kleine Göre, der es egal ist welche Haarfarbe andere haben oder nicht. Nur das Herz sollten sie an der richtigen Stelle haben.
Und meine Großmutter hat auch noch heute Recht.
sehr gefühlvoll geschrieben – ein ganz wunderbares Denkmal für deine liebe Omi.
So wundervoll geschrieben. Ich habe Rotz und Wasser geheult. Ich habe dieses Jahr auch meine Oma verloren und habe auch einen Abschiedsbrief geschrieben, den ich auf der Trauerfeier vorgelesen habe. Ich kann deinen Text so gut nachempfinden, denn auch meine Oma war meine Seelenverwandte.
Liebe Grüße Silke
Wow, was für ein toller Text. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Sie muss eine wahnsinnig tolle Frau gewesen sein.
… nachvollziehbar, woher dein pseydonym „zukkermädchen“ stammt, so erkennen wir wie wichtig begegnungen mit liebgewordenen menschen sind, die uns ihre lebensweisheiten zu vermitteln vermögen wie eben deine oma – behalt sie dir als leitfaden, der dich führt in allen erdenklichen situationen wo dein „ich“ vermeintlich nicht ausreicht … und irgendwann wirst auch du oma gewesen sein und mit einem sanftmütigen lächeln dieses sein verlassen und es wird gut sein – aber bis dahin wünsch ich dir zukkermädchen noch viel gehaltvolles leben in allen facetten. irgendein thomas, der dir vielleicht schon morgen auf der strasse begegnet und dein lächeln erwidert im ansinnen an den esprit der oma.
Du hast mit jeder Zeile recht und wie içh werden viele sich in Deinen so schön beschriebenem Gedanken wiederfinden.
Noch ist sie bei mir, doch ich weiß, diese Zeit ist begrenzt. Ich will mich nicht damit auseinandersetzen. Und doch schleichen sich die Gedanken ein.
Ich hoffe, ich bin dann nicht sprachlos und kann vielleicht auch schöne Worte finden.
Einen wunderbaren Rutsch in ein neues, aufregendes Jahr!
Das hast du so schön geschrieben, Franzi! Besser als ich jemals über einen Verlust eines Menschen gelesen habe und ich musste echt ein bißchen weinen, was mir sonst äußerst selten passiert. Ich glaube ja daran, dass unsere lieben Verstorbenen von „da oben“ auf uns runtersehen und auch ein bißchen aufpassen. Und eines Tages sehen wir uns wieder , davon bin ich auch überzeugt! Liebe Grüße und alles Gute für 2018!
Starke Worte von einer starken Frau.
Ich möchte mich dafür bedanken und ich kann es nur zu gut nachempfinden.
Auch meine über alles geliebte Oma ging dieses Jahr, kurz nach der Geburt meiner ersten Tochter. Zum Glück konnte sie die Kleine noch einmal im Arm halten und dabei merkte ich das ihr ein großer Stein vom Herzen fiel…..sie hatte es noch geschafft ihr Urenkel zu sehen. Ein paar Tage später schlief sie friedlich ein. Nichts kann so eine großartige und wichtige Frau in unserem Leben ersetzen, aber die Zeit und Erinnerung kann uns niemand nehmen♥.
<3
…ein unfassbar toller und bewegender Brief! Voller Liebe und eine Kraft die tief berührt.
Die Liebe zu deiner Großmutter ist in jeder Zeile zu spüren❤️
Ich habe trotzdem ein paar Tränen vergossen. Das hast du wunderbar geschrieben. Ein meiner beiden Omas ist letzte Woche von uns gegangen und im Moment ist es immer noch ein bisschen unwirklich.