Ich habe vor ca. zwei Wochen folgende Mail erhalten:
Lesermail:
„Also wir sind eine Sechserclique bestehend aus drei Pärchen. Es kommen und gehen Partner, Freunde oder Bekanntschaften. Klar, jetzt wo wir alle die drei als erste Zahl im Alter haben ist es viel ruhiger geworden. Aber ich muss zugeben, als eine meiner Freundinnen mir ihren neuen Freund vorstellte, hatte ich große Hoffnungen in unsere neue Freundschaft gesetzt.
Bis jetzt war es immer so, dass wir uns alle jedes Wochenende trafen, ausgingen, kochten und Spielabende veranstalteten, oder sich die Männer öfter allein trafen wie auch die Frauen.
Das fühlte sich gut an und ich war zufrieden mit meinem Leben nach der Arbeit. Es war immer ein schöner Ausgleich. Bis meine Freundin sich von ihrem Freund trennte und sofort einen Neuen mitbrachte. Ich hänge nicht an ihrem Ex-Freund. Der war ja nett, immer überall gern gesehen und wir schwatzen auch noch wenn wir uns sehen. Aber der neue Freund geht einfach gar nicht. Er kann sich null anpassen, ist immer einen Tick zu laut und beide zusammen sind uns im Freundeskreis gerade zu viel. Aber was soll ich jetzt machen? Ich kann ja nicht nur noch an den Mädelsabenden teilnehmen oder ihr einfach sagen, dass er etwas drüber ist und nicht passt.
Also ist es ok den Freund der Freundin doof zu finden?“
Ich möchte dir gern ganz einfach mit einem Ja oder Nein antworten. Werde dir aber etwas mehr von mir und meinen Erfahrungen erzählen:
Wir sitzen alle an einem Tisch. Alle sind nett, aber ich bin eine faule soziale Socke. Manchmal brauche ich Tage, Wochen oder Monate um mit anderen warm zu werden, vor allem wenn ich keinen einzigen am Tisch kenne.
Darf ich vorstellen: Franzi die Einsiedlerin.
Ich lebe in meiner kleinen Internetblase. Ich breche immer mal wieder aus und habe Freunde, die mir viel über das echte Leben und den Alltag erzählen: Vom Schichtsystem, von Kindern, älteren Menschen, Haustieren. Mit Informationen darüber bin ich gut versorgt, damit ich ja nicht den Boden unter den Füßen verliere und meinen Job als die einzige Zukunft sehe. Davon bin ich hoffentlich weit entfernt. Das Problem mit dem Internet ist eben auch, dass ich zwar viel allein mit mir bin, aber mich dennoch mit tausenden von Menschen unterhalte. Jedoch immer nur auf der Ebene von Ausschnitten und Momenten des Lebens. Das Leben wird dort nie ungefiltert gezeigt, das echte Leben ist doch immer etwas anders und das kann gefährlich sein.
Ich kann ja unheimlich viel ausblenden wenn ich es nicht sehe, davon lese oder höre: Handy aus, Ton aus, wegklicken, entfolgen oder dank des vorgegebenen Algorithmus gar nicht erst sehen.
Ich versuche immer wieder mehr aus dem echten Leben mitzunehmen, und dazu gehören auch diese ominösen Pärchenabende. Ich kann Smalltalk, ich kann es wenn ich will- aber oft will ich es einfach nicht. Ich ballere mich so zu mit Informationen und mit dem Leben meiner Freunde, dass ich selten weiteren Platz für neue Gespräche, Lebenswege oder Meinungen finde, besonders wenn sie absolut nicht meinem Standpunkt entsprechen.
Da sitze ich und will eigentlich nur nach Hause auf die Couch, bemühe mich aber zuzuhören und dem nächsten Salatrezept zu folgen und ein Glas Wein zu trinken, weil alle das so ab einem gewissen Alter tun.
Keine Ahnung was es für einer ist, aber er passt wohl zum Fisch auf dem Tisch, für den sie acht Stunden in der Küche stand. Ich halte meinen Mund, weil ich mich kurz frage, was man acht Stunden in der Küche macht und wieso sie jetzt noch Lust hat diesen Fisch zu essen, der ihr einen halben Tag geraubt hat. Ich wäre wieder raus aus dem Pärchenabend. Dabei kennt mich noch gar niemand so richtig an diesem Tisch.
Ich reiße mich zusammen, weil ich immer wieder mehr Zeit benötige, um wieder mehr Platz für andere Menschen in meinem Leben zu schaffen.
Wie stellen wir uns unsere freundschaftlichen Beziehungen im Erwachsenenalter vor?
Wahrscheinlich so wie du es zu Beginn beschrieben hast. Dass alles gut geht, wir uns alle immer verstehen und Freunde haben, die wir als Paar beide mögen. Das klingt nach dem perfekten Beziehungsfreundschaftsding. Aber jetzt mal ehrlich: Ist das die Realität?
Können wir immer alle riechen, wollen mit ihnen Zeit verbringen und dulden wir manchen dummen Spruch, weil er ja am Ende dazugehört? Nein im Gegenteil, auch viel später, wenn wir uns gefunden haben und wissen was wir wollen und glücklich vergeben sind, können Freundschaften immer noch auseinandergehen, sich anders als gewünscht entwickeln oder erst gar nicht zustande kommen. Das ist völlig normal und es ist völlig ok dann erst einmal enttäuscht zu sein, das wäre ich auch. Aber dennoch habe ich als Freundin keinen Anspruch auf eine ewige Freundschaft und muss meiner Freundin auch immer eine Weiterentwicklung zugestehen. Auch wenn das hieße, dass es kein Wir wie früher mehr geben würde.
Du musst den Partner akzeptieren und vielleicht auch etwas mehr Zeit aufbringen.
Wenn du und der ganze Freundeskreis sich so auf den Ex konzentriert haben, ist es für den neuen Mann ja auch nicht einfach die Lücke zu schließen, und manchmal braucht es einfach Zeit. Wie du an mir sehen kannst, tickt jeder anders. Es braucht vielleicht mehrere Treffen, um warm miteinander zu werden, sich zu öffnen oder überhaupt im eigenen Leben wieder emotionalen Platz für neue Beziehungen zu schaffen. Wir werden ja alle nicht jünger und unser Alltag wird nicht einfacher mit dem Erwachsenwerden. Leider.
Das ist meine Antwort auf deine Frage. Ich hoffe ich konnte dir irgendwie weiterhelfen.
Alles Liebe die Einsiedlerin, die gern Kontakte knüpft, aber manchmal etwas länger braucht.
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