Kolumne

Ich habe kein Kind, aber darf ich dir einen Ratschlag geben …

28. Oktober 2018 von

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Stellt euch vor, ihr seid gerade Mutter geworden und mit euren Freundinnen unterwegs. Die beiden anderen haben noch keine Kinder und planen in den kommenden Jahren auch noch keine Familie. Würdet ihr euch Ratschläge anhören von zwei Frauen, die ihr liebt für ihre Art, die aber eigentlich keine Ahnung vom Muttersein haben , es wahrscheinlich nur nachempfinden können?

Ich habe kein Kind, aber darf ich dir einen Ratschlag geben ...

Wir treffen uns in einem kleinen Café. Eigentlich wie immer, nur dieses Mal zu viert. Drei Freundinnen und ein kleiner Wurm. Allein der Eingang des Cafés erscheint mir jetzt extrem klein für Kind und Kegel. Wir mogeln uns an vielen großen und kleinen Menschen vorbei. Ernten Schniefen und ein paar Augenroller, und parken das Kinderwagenungetüm doch lieber neben dem Garderobenständer. Draußen geht nicht. Es regnet und hier scheint so etwas wie eine Kinderwagenmafia ihr Unwesen zu treiben: Die Dinger werden auch gern einmal ausgeraubt oder ganz mitgenommen. Würde mir ja nicht im Traum einfallen, aber so ist es. 

Wir suchen uns einen freien Platz. Suchen ist gut.

Ich fühle mich auf einmal nicht so willkommen, da wir mit Kind für viele an diesem Sonntagnachmittag eine Belastung zu sein scheinen. Erst als uns zwei junge Mädels zuwinken und uns damit suggerieren, dass hier Platz ist für uns und wir hier willkommen sind, geht es mit unserer Stimmung auch wieder bergauf. Wir pellen uns aus den Mänteln, den Mützen und den Schals und setzen uns. Der Wurm findet es gerade nicht so entspannend: Er brabbelt, wird lauter, wirft die Klötze runter und will nur zur Mama. Fokus. Wohl gerade sein neues Ding. Er hat die große Liebe zu seiner Mutter und meiner wunderschönen Freundin entdeckt. Vielleicht hat er auch gemerkt, wie toll sie nicht nur von innen sondern auch von außen ist, und will sie nicht mehr loslassen oder gar mit anderen teilen. 

Ich verstehe ihn für einen ganz kurzen Moment absolut.

Wir versuchen zu essen, zu reden, reichen den Wurm rum, nehmen ihn hoch, zeigen ihm die Welt, aber er will heute nicht so wie wir es gern hätten und wie es  sonst immer war. Also beschließen wir, nach dem Regen einen Spaziergang zu wagen. Natur tut gut. Und ich kann mich dunkel daran erinnern, dass ich wohl als kleiner Wurm auch gern draußen war- auch wenn nur im Wagen und auch wenn nur für eine kleine Runde. Zahlen, anziehen, einpacken, raustragen, fertig. Frische Luft, wir alle müssen aufatmen. Jetzt können wir reden, abwechselnd schieben, abwechselnd lustig sein mit dem Wurm. Er ist clever, vielleicht wollte er die ganze Zeit einfach nur raus. Wir bringen sie nach Hause und der Rest, die ohne Kinder, gehen wieder Richtung Zentrum. Wir kommen zu der Frage, ob man als Freundin ohne Kinder überhaupt das Recht hat Ratschläge an Mütter zu geben. 

Würdet ihr euch Ratschläge anhören von zwei Frauen, die ihr liebt für ihre Art, die aber eigentlich keine Ahnung vom Muttersein haben, es wahrscheinlich nur nachempfinden können?

Erziehung ist ja ein sensibles Thema und alle haben irgendwie eine Meinung dazu. Mir liegt da nicht viel auf der Zunge, aber die Dame neben mir, die genau da steht wo auch ich stehe im Leben, sieht das etwas anders. Sie würde es genau so und so machen. Ihn auch mal schreien lassen, sich auch um sich selbst kümmern und das Kind viel mehr Kind Kind sein lassen. Wie das geht will ich wissen, „Das wird sich schon ergeben“ sagt sie mir. Vielleicht habe ich schon zu viele Freundinnen mit Baby und vielleicht stelle ich ihnen immer die richtigen Fragen, aber ich glaube es läuft fast nie so, wie man es sich vorgestellt hat. Ich glaube auch nicht, dass alles nach Plan laufen muss. Denn kleine Wesen sind wie die großen: Unberechenbar. Ich würde mich mit meinem Wissen und in meiner Situation nicht auf die Ebene wagen, auf der ich jemandem Ratschläge erteile, der einen Schritt weiter ist als ich. 

Kinder großziehen. Das klingt nach Arbeit, abgeben, aufgeben, aber auch ebenso nach viel Liebe.

Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich das noch nicht testen, erfahren oder haben. Aber ich würde behaupten, ich habe oft genug die große Klappe und will Recht haben, aber hier würde ich mir selbst und auch meiner Freundin das Ratschläge Rausposaunen am Liebsten verbieten. Es ist so ein persönliches und individuelles Thema, dass ich nicht einmal wüsste, was ich sagen sollte.

 

Das Einzige was ich tun kann, ist meiner Freundin eine gute Freundin zu sein. Ihr zu sagen, wie toll sie das macht und wie stolz ich auf sie bin. Auch wenn es ihr einmal nicht gut geht, sie sich nicht gut fühlt oder zweifelt. Denn am Grund meines Herzens weiß ich, dass sie einen tollen Menschen erziehen wird, schon weil er von ihr großgezogen wird. Wenn sie Fragen hat, würde ich versuchen ihr zu helfen. Das Schlimmste was ich tun könnte ist sie zu belehren. Genau so.

 

Stellt euch vor, ihr seid gerade Mutter geworden und seid mit euren Freundinnen unterwegs. Beide haben noch keine Kinder und planen in den kommenden Jahren auch noch keine eigene Familie. Würdet ihr euch Ratschläge anhören von zwei Frauen, die ihr liebt für ihre Art, die aber eigentlich keine Ahnung vom Muttersein haben, es wahrscheinlich nur nachempfinden können? 

Was ich mir jetzt noch wünschen würde? Cafés mit mehr Platz, weniger Seufzern und weniger Augenrollen. Irgendwann ist der kleine Mann groß und er soll sich nicht daran erinnern, dass ihr alle immer genervt wart, nur weil er ein Kind war.

Kommentare

Bisher 8 Kommentare zu “Ich habe kein Kind, aber darf ich dir einen Ratschlag geben …”

  1. Ich habe noch Erinnerungen daran, wie es mir früher ging, als ich noch keine Kinder hatte. Was ich so dachte und wie ich meinte, dass das Leben mit Kindern wäre. Natürlich ist es jetzt ganz anders gekommen. Daran denke ich, wenn mir jemand Ratschläge geben möchte, der keine Ahnung vom Elternsein hat. Wahrscheinlich ist es für denjenigen ja auch ätzend, wenn ich alles was er/sie sagt, mit „Da kannst du einfach noch nicht mitreden“ abtut. Das wird ihm/ihr später auch klar werden, falls er Kinder bekommt.^^

    Meine Antwort auf solche Ratschläge ist diplomatischer: „Ich wünsche dir, dass es bei dir genauso wird, wie du dir das vorstellst.“ Und das tue ich ja auch.

  2. Anni sagt:

    Welch toller Post zum Sonntag und mir gefällt deine Einstellung sehr!
    Ja, Cafés und Kinderwagen – das kann schon ganz schön eng werden und ich erntete da auch schon böse Blicke. Ich versuche es zu ignorieren denn ich möchte ja trotzdem am Leben teilnehmen und mich auch mal in ein Café setzen können.
    Als Mutti bekommt man ja soviele Ratschläge um die Ohren gehauen, dass ich mir nur die zu Herzen nehme- welche ich auch umsetzen möchte und die sich mit meinen Ansichten deckeln.

  3. Nyri sagt:

    Am schönsten finde ich in deinen Beitrag dass Du erkannt hast, dass es vollkommen egal ist, ob man findet die Freundin geht richtig mit Ihrem Kind um. Es ist viel wichtiger, für sie da zu sein. Sich ihre Probleme anzuhören und es ernst zu nehmen. Es gut zu wissen wenn man jemanden an der Seite hat, dem man auch mal sagen kann das nicht immer alles einfach ist mit Kind, die Ängste die einen quälen…. Und manchmal einfach nur ob das Kind heute Kacka gemacht hat. Wir neigen heutzutage dazu immer stark und perfekt sein zu müssen. Was in der Realität meistens nicht der Fall ist. Nur keiner traut es sich zu sagen. Deshalb ist so eine Freundschaft Gold wert. Es gibt nie den richtigen Ratschlag, jedes Kind ist individuell. Viel besser ist es zu fragen ob man helfen kann oder einfach zu fragen „warum ist das jetzt so?“, wenn man die Situation gerade nicht versteht.

    Und wenn der Cafébetreiber nicht versteht dass die kleinen Würmer auch seine Zukunft sind, tja dann muss er wohl mit Konsequenzen leben. Ich habe selber ein Café und finde nichts schöner als die großen Kinderaugen wenn sie glücklich ihr Eis in der Hand halten. Genau für solche Momente hat man sich ja diesen Beruf ausgesucht.

  4. Kästi sagt:

    Sehr schönes Thema.
    Als ich noch kein Kind hatte, hatte ich auch keine Ahnung und Meinung von der „richtigen“ Erziehung. Und habe mir auch nie Gedanken drum gemacht und erst recht keine Ratschläge verteilt. Andererseits habe ich auch nie die Erziehungsmethoden von Freundinnen mit Kind in Frage gestellt.
    Seit meinem Jahr bin ich nun Mutter und ehrlich gesagt immer noch nicht schlauer, was falsch oder richtig ist. Eigentlich mache ich alles nach meinen Erinnerungen aus meiner Kindheit und nach dem Bauchgefühl.
    Ratschläge von Freundinnen mit oder ohne Kind höre ich mir an und entscheide selbst, was mir davon wirklich ratsam ist und was für mich nicht passt. Kritik kann mich jedoch auch, so ehrlich muss ich sein, verunsichern. Da braucht man dann so eine Freundin, wie von dir am Ende beschrieben.

  5. Ein super Beitrag! kann ich nachvollziehen. Ich habe auch keine Kinder, es sind Momente wo man das Gefühl hat, hier hätte ich es anders gemacht oder man müsste der Mutter das beibringen… Ich finde aber richtig, dass man sich zurückhält. Wer bin um mir das Recht zu nehmen um zu beraten. Man weiß es nicht ob man in gewissen Situationen anders gehandelt hätte.
    Hast gut geschrieben!

  6. Kristina sagt:

    Ein guter Post und ich gebe dir zum grössten Teil recht, es gibt allerdings Momente, da sollten (und müssen) Eltern auf Inputs von Aussen hören!

    In meiner Arbeit als Flight Attendant sehe ich oft, dass viele Elternteile einfach nicht das machen, was sie sollen, um Sicherheit des Kindes und die Hygiene der anderen Gäste zu sichern. Kinder krabbeln & schlafen am Boden (was nicht wegen des Dreckes verboten ist, sondern wegen der Sauerstoffmasken, die im Notfall zu kurz sind; von unvorhergesehen Turbulenzen oder Misstritten anderer mal ganz abgesehen), die Kinder werden kaum angeschnallt und die Eltern lassen sie auf dem Bremsweg bereits aufstehen. Dann hatte ich bereits Eltern an Board, die die Windeln auf dem Sitz und gar der Konsole und der Business-Class gewechselt haben, das ist einfach nur eklig und absolut egoistisch.

    Da frage ich mich dann schon, ob das eine oder andere Hinterfragen der Erziehung von Freund*innen nicht angebracht wäre – auf unsere Zurechtweisung reagieren die Eltern so unverständnisvoll und frech, dass es wohl jemand aus dem Umfeld braucht. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass Eltern, die im Flugzeug machen, was sie wollen, sich anderorts angemessener benehmen…

  7. Aimea sagt:

    Ich finde den Schluss wunderschön und genau richtig: auch ich wünsche mir für meinen kleinen Sohn, dass er willkommen ist und die Leute nicht genervt von ihm sind, wenn er die Welt entdecken möchte!

  8. Jule sagt:

    Liebe Frances,

    was soll ich sagen – dein Beitrag hat mich (als Mama eines 4-jährigen Wirbelwindes) gerade zu Tränen gerührt! Es ist nicht nur deine Art und Weise das Verhältnis zwischen Freundinnen in unterschiedlichen Lebensphasen oder die Herausforderungen für „Unterwegs mit Kind“ zu beschreiben, was du wirklich ganz zauberhaft aufgegriffen hast. Was mich so berührt hat war vielmehr dein farblich hervorgehobenes „Fazit“, das du für dich persönlich in Bezug auf deine Freundin und die Frage nach einem Rat gefunden hast, denn darin habe ich zu 100 % meine allerbeste Freundin, meine Vertaute, meine Liebste wiedererkannt und ich bin so unfassbar dankbar für Freundinnen wie euch! Dieser Rückhalt bedeutet für die gestressten Mamis unter uns die Welt und auch wenn wir manchmal Hilfe oder einen Rat gut gebrauchen können, oftmals brauchen wir euer Verständnis und eure lieben Worte wie: „Ich bin stolz auf dich.“ oder „Du meisterst das super!“ noch viel mehr. Tausend Dank an diese wahren Freundinen überall da draußen <3

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