Kolumne

stupid blond girl – oh du bist ja doch nicht so seicht wie ich dachte

30. September 2018 von

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Wir sind auf einem Event und ich sage jedem anständig Hallo. Ich schüttele Hände, lächle und gehe weiter. Ich rechne mir aus, dass es bis zum Buffet nur noch drei mal Händeschütteln und drei Smalltalk Runden sind. Ich habe richtig Hunger und hoffe man sieht es mir nicht an.

stupid blond girl - oh du bist ja doch nicht so seicht wie ich dachte

Wie immer habe ich es nicht geschafft, nach dem Kaffee noch etwas zu frühstücken. Ich habe es nicht geschafft mir am Abend vorher irgendetwas vorzubereiten, etwas auf das ich am Morgen auch wirklich Hunger hätte. So richtig passt das Leben der Anderen Online nicht zu mir, denn ich habe nie Hunger auf das, was im Kühlschrank ist und ich mag Weizen. Daher greife ich auch sofort zur Schnitte auf dem Silbertablett. Ich liebe Häppchen, die ganz simpel aus Brot und einer leckeren Auflage bestehen. Ich will genüsslich in mein Häppchen beißen, als dieser Satz aus der Dame neben mir kommt:

„Ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas isst- So, wie du aussiehst!“

Mir fällt nichts anderes als ein verlegenes Lächeln ein und ich beiße zu. Der Hunger macht mich immer nur für eine Sache empfänglich: In dieser Sekunde ist es eben das Essen. Doch ich weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was ich mir in den folgenden Stunden immer wieder am Häppchenstand anhören muss. Über den ganzen Tag verteilt bekomme ich immer wieder solche Hinweise erteilt. Sie klingen für mich nicht bösartig, viel mehr verwundert.

Zum Abend hin treffen wir uns all an der Bar und ich nehme mir Zeit, alles Gesagte, Ausgetauschte und Vermutete anzusprechen:


„Ich scheine wohl dein Bild einer hohlen Birne zu erfüllen. Blond, Mode, teure Tasche, unpassendes Schuhwerk- Tussialarm. Auch in 2018 gibt es viele Schubladen, die wir immer wieder befüllen. Mir wurde es wohl in der Abteilung ‚Tussi mit großer Klappe‘ gemütlich gemacht und ich finde es nicht einmal so unbequem.“

Wir stoßen mit einem Glas Wein an. Sie antwortet mir.

Sie findet ich müsste mehr zeigen, wie klug und gewitzt ich eigentlich bin. Sie hätte es selbst nicht vermutet als sie mich begrüßte, mir die Hand schüttelte und meinen Account entdeckte.

Ich sollte mehr betonen was ich kann, meinen Feed anpassen und zeigen was ich eigentlich bin und nicht das machen, was ich jetzt gerade so mache. Weil ich auf den ersten Blick so wirke, wie das typische Klischee einer seichten Dame, die nicht viel für Politik, Wissen oder gar Humor übrig hat, sondern nur an Mode, Schminke, Jungs und Popmusik interessiert sei.

stupid blond girl - oh du bist ja doch nicht so seicht wie ich dachte


„Autsch“. Das hat gesessen? Nein, nicht wirklich, und es ist völlig ok.

Sie war ehrlich, hat gesagt was sie denkt, und am Ende habe ich sie wohl überrascht mit meiner Art, die in den Köpfen einiger auch im Jahr 2018 noch immer nicht zusammengehen kann. Ich kann als Frau wohl nicht gleichzeitig gut aussehen und etwas für mich tun, ohne eben dumm zu sein oder jedenfalls so zu wirken. Der erste Eindruck zählt genau deshalb, und weil wir gern alte Gewohnheiten und Rollenbilder bewahren wollen. Außerdem wollen wir selbst doch nicht wirklich genau hinsehen, auch wenn wir das von unserem Gegenüber immer wieder verlangen.

Aber das macht mir nichts mehr aus.

Ich will es ganz offen sagen:

„Es ist nicht mehr mein Problem, wenn andere mich als nicht klug oder witzig einstufen.“

Es ist allein dein Problem, wenn du dich in alten Rollenbildern und Vorurteilen treiben lässt. Es ist dein Fehler, wenn du nicht genau hinschaust und sofort deine Schubladen aufmachst, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich bin nicht auf die Welt gekommen um dich davon zu überzeugen, dass ich klug, nett, glücklich, schön, witzig, laut und wunderbar bin. Diese Erkenntnis hat mich verdammt viel Zeit und Nerven gekostet. Ich bin oft genug dem Bild und der Meinung anderer hinterher gelaufen, um am Ende festzustellen: Wer gern urteilt und nicht offen dafür ist, hinter die Fassade zu blicken, bringt mich im Leben nicht weiter. Im Gegenteil.
Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass ich vor lauter „Gefalle ich und wirke ich so wie ich bin“- Gefasel schon nicht mehr wusste wer ich eigentlich bin.

Was muss ich tun, um das Bild von mir zu ändern?

Muss ich viel reisen? Muss ich eine Familie gründen? Muss ich öfter „Hallo“ sagen als „Goodbye“? Muss ich mehr verzeihen, muss ich erfolgreich sein? Muss ich vorankommen? Brauche ich den perfekten Instagram Filter und den dazu passenden Körper? Muss ich mehr Bücher lesen und öfter darüber sprechen? Darf ich nur noch fair einkaufen? Muss ich andere zurechtweisen? Soll ich offline gehen?

Wie kann ich dir beweisen wer ich bin und was ich wirklich kann?

Gar nicht. Ich bin allein dafür zuständig, mich selbst zu finden und zu versuchen glücklich zu sein.

Was andere über uns denken können wir letztlich nicht beeinflussen. Es hilft uns aber auch nicht weiter auf dem Weg zum Wachsen, zum Starksein, zum Glücklichsein und zum Menschsein. Diese Erkenntnis kann am Ende nur jeder für sich gewinnen. Auch wenn es immer wieder schwer fällt: Was andere denken, nützt uns selten etwas, besonders wenn es um unser eigenes Leben geht.

Kommentare

Bisher 8 Kommentare zu “stupid blond girl – oh du bist ja doch nicht so seicht wie ich dachte”

  1. Ruth sagt:

    Ich finde diesen Artikel toll, ganz ehrlich! Ich finde es traurig, dass man in unserer heutigen Gesellschaft, eine die behauptet, offen und tolerant zu sein, als modebewusste Frau, die gerne rosa mag immer noch schnell als dumm und, wie du so schön sagst, seicht abgestempelt wird. Die Leute biegen sich halt einfach alles so zurecht, dass es in ihre eigenen Vorurteile passt ohne diese aufgeben zu müssen.
    Liebe Grüße
    Ruth

    • Franzi sagt:

      Liebe Ruth! Absolut. Ich weiß manchmal auch nicht mehr, was ich genau darauf antworten soll. In jede Richtung werden Schubladen geöffnet und man wird sofort versenkt. Ich finde es gerade jetzt noch schlimmer als vor ein paar Jahren. Vielleicht ein Schutzmechanismus? Vielleicht weil uns digital gezeigt wird, dass wir alle gar nicht so einzigartig sind, wie wir es immer glauben wollen? geht mir ja manchmal nicht anders.

      Alles Liebe

  2. Katja von feinfuehlighochzehn sagt:

    Ich bin sehr selbstkritisch was mein Schubladendenken angeht, oft finde ich, ich könnte noch offener sein mit noch weniger Schubladen aber gerade bin ich sehr sehr beruhigt und vielleicht kann ich aufhören so arg kritisch zu mir zu sein. Denn dich hab ich noch nie als das typische Blondchen abgestempelt auch nicht vor fünf Jahren, seit Anfang an habe ich dich als eine ziemlich hübsche Lady mit enorm viel dahinter abgestempelt. Wie verschieden doch die Wahrnehmung ist..

    • Franzi sagt:

      Hallo Katja! Ja das bin ich auch und oft erwische ich mich auch noch dabei, andere wieder in eine Schublade zu stecken. In gewisser Weise auch nötig, um alle Informationen auch filtern zu können. Die Kunst ist nur, sich nicht daran zu klammern. ich glaube auch, es gibt genug Frauen, die schauen hinter die Fassade, es gibt aber auch genug Frauen, den bleibt die Zeit nicht und so lebt es sich ja auch manchmal einfacher. Ich kann es auch nachvollziehen, will aber so nicht sein.

      Danke dir!

  3. Iris sagt:

    Danke für diesen Artikel!
    Diese Einstellung ist etwas sehr, sehr positives am „Älterwerden“ und ich habe auch lange gebraucht, damit mir mehr oder weniger egal ist, was andere Menschen über mich denken.
    <3

    Ps. Ich mag Weizen auch.

    • Franzi sagt:

      haha Willkommen im Club Weizen 😉 Ja es dauert, ich vermute auch stark, andere Frauen schaffen das eher. Ich bin schon immer etwas langsamer gewesen mit meinen AHA Erlebnissen 🙂

      Alles Liebe

  4. Juliane sagt:

    Liebe Franzi,

    Ein sehr inspirierender Artikel! Man fragt sich immer, in welchem Zeitalter wir leben, wenn Klichees vom Schulhof unser Denken auch im erwachsenenalter so massiv beeinflussen. Ich war früher eher Typ Streberin und damit abgestempelt als „sie kann sich niemals für Mode interessieren und auch noch hübsch sein“. Heute denken viele, ich wäre ruhig und verschlossen, obwohl ich nur Zeit brauche, um mich zu öffnen. Auch wenn es Geduld und Zeit kostet, es lohnt sich meist, hinter die Fassade zu blicken und wirklich mit seinen Mitmenschen zu sprechen statt nur über sie. Andere haben anscheinend zu viel Zeit, wenn sie sich solche Gedanken über dich machen anstatt ihr Leben zu genießen. Das Leben ist halt nicht nur schwarz und weiß. Allerdings: ohne solche Erfahrungen hättest du weniger Geschichten zu erzählen, wenn man es mal positiv nimmt. Bleib auf jeden Fall so, wie du bist. Ich mag Deine Mischung sehr und lese Deinen Blog unheimlich gern wie auch deine Insta Stories.

  5. Anna sagt:

    „Ich bin allein dafür zuständig, mich selbst zu finden und zu versuchen glücklich zu sein.“
    Mein liebster Satz aus der Kolumne!

    Dieses „nicht dem Bild“ entsprechen, erfahre ich gerade – anscheinend meiner Rechtschreibung geschuldet – auf meinem Blog. Diesen halte ich hauptsächlich (klar) Deutsch, habe aber die About-Seite auf Englisch verfasst. An dieser Stelle muss ich kurz ausholen:
    Meinen Blog habe ich 2x komplett überarbeitet und jedes Mal nach dem Auffrischen kamen Hate-Kommentare wie „Awww, no boobs!“ oder „Schrecklich. Ich empfehle dir es sein zu lassen!“
    Klar, wenn man „öffentlich“ etwas betreibt (in meinem Fall, mein Hobby), dann muss man damit rechnen, dass es jemandem nicht passt. Und zur Zeit habe ich etliche Negativ-Kommentare zu meiner Schreibweise/Rechtschreibung im Postfach.
    Ich bin eine seit 25 Jahren in Deutschland lebende Ukrainierin. Mein Deutsch habe ich immer für gut gehalten – zumindest für besser als das vieler Deutschen, mit denen ich es zutun hatte. Nun muss ich mir anhören, dass ich „den Intellekt einer Zwölfjährigen“ habe und es mir nicht stehen würde. Schon wieder werde ich damit konfrontiert, dass ich nicht genüge. Ich frage mich: Muss ich mich rechtfertigen? Muss ich in deren Bild hineinpassen? Meinen Blog habe ich schließlich gestarten, weil er das positive Gegenteil meines Hauptjobs sein sollte – weil ich dadurch lernen und wachsen kann. Und da kommen wir wieder zu meinem Zitat aus Deiner Kolumne:

    „Ich bin allein dafür zuständig, mich selbst zu finden und zu versuchen glücklich zu sein.“

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