Kolumne

Versagen

30. Oktober 2016 von

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„Es gibt Dinge, die dürfen dir einfach nicht passieren.“

Versagen. Genau das ist uns nicht mehr gegönnt. Wir dürfen keine Fehler machen, wir dürfen nicht zeigen, dass wir etwas nicht geschafft haben. Wieso? Weil es nicht in unser Weltbild passt und weil wir uns insgeheim manchmal freuen, über das Versagen anderer.

versagen in der Gesellschaft Arbeit verlieren Mut

Story: 

Kennt ihr die klugen Schüler die alles wissen und alles sofort können, ohne nur einmal wirklich das Buch aufgeschlagen zu haben? Ich gehörte nie zu denen. Aber meine Banknachberin. Lehrereltern, Klassenbeste, immer die 1 mit voller Punktzahl. Tolle Hobbies, tolle Haare und einen richtig süßen größeren Bruder. War ich neidisch? Und wie. Aber auch selbst Schuld. Denn ich war immer an allem interessiert, nur nicht an den Dingen, die ich selbst für unwichtig hielt. Dazu gehörte viel Lehrstoff. Aber trotzdem gingen wir beide unseren Weg. Das gleiche Dorf, die gleiche Klasse, nur sie eben immer ein bisschen besser. Aber ich war ihr immer dankbar, denn sie rette mich oft genug vor der Oberstufen- Mathematikklausur und ich nahm sie Freitagabend mit zum Tanzen, fairer Ausgleich. Abschluss? Jahrgangsbeste. Studium? Die Auswahl. Stipendium, Abschlussarbeit mit Auszeichnung schnell in der Tasche, ab ins Arbeitsleben.

Wir sitzen auf einer Bank, in einem Dorf, dass sich seit unserer Zeit bewohnermäßig halbiert hat. Hier ist nichts. Sie ist zurückgekommen, Wohnt bei ihren Eltern. Wir teilen uns lieblosen Wein aus dem Tetrapack. Wie früher. Was war passiert? Ich habe keine Ahnung. Ich frage sie.

Sie antwortet mir. Sie hat versagt. Sie konnte dem Druck auf Arbeit nicht mehr Stand halten. Hatte keine Lust mehr Bücher zu wälzen, Zahlen zu addieren und mit Unsummen an Geldern umzugehen. Abstumpfen, hinnehmen, Überstunden. Das Konto ist voll, doch das Glück war nicht mehr da. Sie blickt mich an und  verrät mir, wie neidisch sie auf mich sei und meinen Weg, den ich so gut und so stark gehe. Wie gut es mir ginge und wie albern sie sich jetzt gerade vorkommen würde. Mir bleibt der Wein nicht nur wegen dem unglaublich übersäurten Geschmack im Hals stecken. Neidisch auf mich? Muss man nicht sein. Das ist mein Weg, der ihr wohl nie passen würde. Ich bin, wenn wir es mal auf den Punkt bringen, absolut überemotional eingestellt. Ich war nie gut in vielen Dingen, nur in denen, die mich interessierten. Dass ich damit Geld verdiene ist mir manchmal auch nicht ganz geheurer. Aber wenn wir über Irrfahrten und Auf und Abs im Leben sprechen, dann nehmt mich als Beispiel. Sprechen wir über den geradlinigen Weg mit Plan und Köpfchen, dann lieber sie. Wir schweigen.

Manch einer würde jetzt sagen: War abzusehen, klar, wer nur funktioniert. Nein. Aber das ist es nicht. Es ist eher der Umgang mit Dingen die im Leben passieren. Es liegt nicht an der Person die versagt, sondern an uns, dem Umfeld und wie wir diese Erfahrungen im Leben anderer aufnehmen.

Versagen. Aufgeben. Wie negativ und schwach das klingt. Aber manchmal muss man sich von einer Idee trennen. Von einer Idee, der bis zuletzt perfekt und erstrebenswert schien, jedoch beim Erreichen des Ziels verpufft. Einfach so erkennt man, das ist es nicht. Ich muss gehen.

Genau das ist unser Glück. Denn wir haben heute die Chance uns umzudrehen und zu gehen. Wir können den Schritt wagen, wir können es uns leisten zu gehen. Natürlich bringt das Angst, Verantwortung und vielleicht auch das Zurückschrauben von Erwartungen oder Lebensvorstellungen mit sich. Trotzdem können wir es einfach so tun. Wer sollte uns daran hindern? Vielleicht unser Umfeld? Unsere gesellschaftlichen Vorstellungen von einem erfoglreichen Leben? Oft ist es doch immernoch so, dass wir aus Abbruch, Änderung oder Neustart ein Versagen machen. Wir werten Menschen dafür wann und wie sie arbeiten, ihre Arbeit verlieren, nicht dem Maß aller Dinge entsprechen oder nicht in ein Bewertungsystem passen. Nach diesem System habe ich jahrelang alles falsch gemacht und bin dennoch glücklich. Vielleicht müssen wir endlich begreifen, dass versagen zum Leben dazugehört, nichts mit Schwäche zu tun hat und auch nie das Ende aller Dinge bedeutet. Versagen gehört zu uns wie der Neubeginn.

Ich schaue sie an. Mir fällt kein guter Rat ein. Kein Solgan, keine Weisheit. Aber ich habe schon immer gesagt: Zahlen, Großraumbüros und hautfarbene Strumpfhosen machen mir Angst.

Sie muss lachen. Das gefällt mir. Immer ein gutes Zeichen.

Wie oft ich schon versagt habe? Tausende Male- und es hat mich immer wieder weitergebacht. Im Leben brauchen wir die Balance, aber keine Angst, Dinge zu wagen.

Versagen, aufgeben, einsehen, den Weg nicht mehr so gehen zu können, ist wichtig. Denn woher sollen wir sonst wissen, was für uns gut ist und uns glücklich macht? Immerhin haben wir den Luxus der Möglichkeiten, wieso dann uns und andere einschränken?

Liebe Grüße

Kommentare

Bisher 13 Kommentare zu “Versagen”

  1. Patty sagt:

    Deinen Beitrag finde ich wirklich klasse. Ich kann dir zustimmen das auch ich Versagen nicht schlimm finde und es völlig menschlich ist. Wie du schon sagst bringt es einen meistens nur weiter !

    Liebe Grüße 🙂
    Measlychocolate by Patty

  2. Eva sagt:

    Versagen ist mein daily business. und jeden Tag überlege ich wie ich überlebe. Auch heute. Mein Business ist auf Versagen und wieder aufstehen ausgelegt. Im Moment überlege ich wie lang ich das noch ertrage. The end is near.

  3. Kerstin sagt:

    Wirklich sehr schöner Text. Du hast recht, Versagen macht einen am Ende nur stärker und menschlicher.

    Love, Kerstin
    http://www.missgetaway.com/

  4. Michaela sagt:

    Wunderschöner Text! Richtig gut geschrieben!
    DU hast so Recht. Das Wertesystem in der heutigen Gesellschaft ist leider oft einfach nicht angebracht….
    Denn schlussendlich müssen wir lernen unseren eigenen Weg zu gehen und unser Leben für unser Wohlbefinden gestalten – EGAL was andere denken und ob wir nun ‚erfolgreich‘ sind. Oder laut Gesellschaft versagt haben.
    Lebe so wie es dich glücklich macht 🙂

    Liebe Grüsse
    Michaela
    Michaelablog
    Bloglovin

  5. Franzi sagt:

    Ein toller Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Ich habe gerade erst vor kurzem meinen Agentur-Job, der mit gute Bezahlung und viel Anerkennung gebracht hat, an den Nagel gehängt. Ich fühle mich aber nicht, als hätte ich versagt. Ganz im Gegenteil. Kurz danach war ich auf einem Themen Abend bei dem es um Existenzgründer und ihre Geschichten des Scheiterns ging. Der Vortrag einer Sprecherin hatte den Titel „Von Gescheitert zu Gescheiter“. Und genauso ist es, ich bin nicht gescheitert oder habe versagt, sondern weiß was ich nicht will. Vielleicht hilft der Satz ja auch deiner Freundin 😉 Lieben Gruß, Franzi

  6. Julia sagt:

    Sehr schöner Artikel!
    Ich finde es sehr wichtig, dass jeder (gerade in unserer Leistungsorientierten Gesellschaft) sich seines Wertes bewusst ist und das jeder sich vor Augen hält, dass Versagen normal ist.
    Wobei ich mir immer die Frage stelle: wer gibt der Gesellschaft das Recht über jemanden, der einen anderen Weg als den besseren sieht, zu urteilen und zu behaupten, dass diese Person versagt hat?
    Menschen entwickeln sich weiter und genau so auch deren Interessen.
    Ist es da so abwegig, dass man nach ein paar Jahren sich vielleicht sagt, dass es doch nicht das ist, was man machen möchte?
    Und ich könnte hier jetzt wieder nen Roman zu dem Thema verfassen… 😀

    Jedenfalls hast Du diesen Artikel wirklich sehr schön geschrieben!

    Liebe Grüße,
    Julia

    • Franzi sagt:

      Liebe Julia! Ich bin voll bei dir! Vielleicht brauchen wir aber auch Rahmen und Bedingungen um ein Gerüst für Wege im Beruf und Leben aufzubauen. Als Leitfaden. Nur leider sind sie ein Muss geworden. Anstatt als Beispiel zu dienen, gibt es festgefahrene Vorstellungen. Das müssen wir auf jeden Fall ändern!

      Liebe Grüße

  7. Sitah Maylin sagt:

    wunderschön und ehrlich geschrieben!
    Ein Thema welches sehr persönlich ist und nicht viele darüber reden, find ich super 🙂 Musste ein Teil davon unbedingt zitieren und auf meiner Facebookseite posten, hoffe das ist ok?

    xoxo, Sitah Maylin

  8. Sophia sagt:

    Was für ein toller Post! Ich selbst stecke noch mitten im Studium und wie oft stellt man sich dabei die Frage „Ist es das richtige?“ und natürlich hat man auch Angst zu versagen oder auch die Eltern zu enttäuschen. Aber ich finde du hast recht- versagen bringt uns weiter und man sollte die Angst davor verlieren. Vielen Dank 🙂

    Übrigens kleine Frage: woher hast du die Haarspange auf dem Bild?

    Ganz liebe Grüße,

    Sophia

    http://www.piefka.com/

    • Franzi sagt:

      Hallo liebe Sophia! Dann drücke ich dir die Daumen und hör auf dein Bauchgefühl! Du musst auch keine Angst haben, du wirst nie jemanden entttäuschen, der dich liebt. Denn es ist völlig ok etwas nicht mehr weiterzumachen oder einen anderen Weg zu gehen.
      Danke dür für deine ehrlichen Worte

      P.S. Die habe ich vor einem Jahr bei Shopbop geordert. Ich versuch mal die Marke zu finden!

      Liebe Grüße

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