Kolumne

Ich bin gerade politisch offline, aber nicht desinteressiert.

22. September 2019 von

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Ich bin gerade politisch offline, aber nicht desinteressiert.

„Ich brauche eine Auszeit von der Menschheit“

Ich bin gerade politisch offline - aber nicht desinteressiert.

…. geht es mir beim Durchscrollen der News durch den Kopf. Wieder bin ich versucht den Artikel zu lesen, der mit Clickbait Überschrift lockt, doch ich sehe schon die ersten Kommentare und skippe. Ich skippe Radio, ich skippe TV, ich skippe Instagram, ich skippe Facebook. Gerade jetzt ist mir das alles zu viel. Ich entziehe mich.

„Jetzt kaufe ich erst recht die Säfte dieser Marke!“

„Geht gefälligst freitags in die Schule, ihr zukünftigen Hartz 4 Empfänger.“

Ein Interview mit einer rechten Partei, das die Nation spaltet.

Ein Satiriker geht in die Politik.

„Fuck you Greta!“ Ein junges Mädchen tritt für das ein, was wir lange alle ignoriert haben. 

„Der Osten wählt bewusst rechts.“

Alle drehen durch. Und ich auch. 

Mein Kopf raucht, meine Gedanken kreisen täglich um immer die gleichen Themen: Wie schlimm es gerade um uns steht und wie wir uns durch die Bank weg alle nur noch gegenseitig angehen. Ich bin wütend, sehr sogar, auf die, die in den sozialen Medien Lügen verbreiten, die Menschen angehen. und sich wichtigen Gespräche verwehren. An andere Stelle werden Kinder denunziert, Politiker bedrohen und laut herausgeschrien, wie scheiße alles ist.

Die Politik ist dieser Situation schon lange nicht mehr gewachsen, wie also soll ich es dann verarbeiten? Wie soll ich das alles noch durchsteigen? Sind das alles nur kleine Ausrutscher, wird es sich schon irgendwann klären? 

Ich sitze gedanklich in der Klemme. 

Ich schließe den Laptop, schalte den Fernseher aus und habe seit einer Woche das Radio nicht einmal laufen lassen. Ich habe ein ständiges Rauschen im Kopf von all dem was nicht geht, was sich nicht ändern wird, wie niemandem mehr zuhört und wie alle nur noch wütender werden. Wir schreiben das Jahr 2019 und ich befinde mich mitten in einer Gesellschaft, die auf mich so gespalten, wie noch nie wirkt. 

Wir raunen uns an, wir nehmen keine Rücksicht, beleidigen uns gegenseitig, machen Fehler und vertuschen sie, wollen andere vorführen und dabei besser und klüger wirken. Und wir wollen auf Biegen und Brechen nicht verstehen, dass wir es selbst sind, die das alles fördern und unterstützen. Unser Verhalten ist aggressiv, unmenschlich und ignorant. Auf der einen Seite fordern wir Respekt, Anstand und Charakter, auf der anderen Seite haben wir aber schon lange vergessen, was diese Begriffe bedeuten. 

Es erdrückt mich, lässt mich nicht mehr los.

Ich frage mich immer wieder, was mit uns nicht stimmt? Wieso sind wir so wütend und respektlos? Wieso sehen wir das große Ganze nicht, sondern nur, was der Nachbar wieder Neues vor der Haustür stehen hat oder wieviel mehr Likes er oder sie bekommt? 

Ich muss das Rauschen ausschalten.

Ich muss die Stop-Taste drücken und für eine gewisse Zeit nicht mehr zuhören. Wie sonst kann ich mir noch eine Meinung bilden und Wissen finden, wenn alle Argumente nur noch von Wut und Hass durchtränkt sind? Geht es uns nur noch um Klicks und darum, besser zu sein als der Andere? 

Abstand ist manchmal gar nicht so schlecht. Es ist keine Ignoranz wichtiger Probleme, es ist eher der überlebensnotwendige Abstand. Um erst einmal zur Ruhe zu kommen, um wieder klarer zu sehen. Um nicht Gefahr zu laufen, mit einer hysterischen Masse in völliger Wut aufzugehen und zu glauben, dadurch irgendwen oder irgendetwas zu ändern. 

Ich bin gerade offline, aber nicht desinteressiert. Ich nehme mir meine Zeit, um mich richtig zu entscheiden und mehr zu tun, aber jetzt im Moment kann ich all dieses hasserfüllte Gerede nicht mehr hören. In meinen kühnsten Träumen hätte ich gern jemanden, der es richtig stellt, der die Menschen zurechtweist und der Ordnung schafft. 

Aber ich weiß es eigentlich besser: wir müssen bei uns selbst anfangen.

Ich bin gerade politisch offline, aber nicht desinteressiert.

Kommentare

Bisher 2 Kommentare zu “Ich bin gerade politisch offline, aber nicht desinteressiert.”

  1. Simone sagt:

    Danke! Du schaffst es einfach meine Gedanken in Worte zu fassen!

  2. Ich verfolge deine Berichte schon lange und komme von manchen gar nicht mehr los. Du schreibst ganz anders als ich. Aber was du schreibst, spricht mir aus dem Herzen. Genauso ist es mir gegangen… genauso fühle ich… wieso bist du mir in Erfurt nicht schon über den Weg gelaufen? Um wirklich nichts von dir zu verpassen, habe ich heute deinen Blog abonniert.
    Nimm dir deine Auszeit… Ich hatte sie auch.
    Liebe Grüße Sabine

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