Wir sollten uns öfter die Frage stellen: Was für eine Frau möchte ich sein? Die, die Karriere und Freundschaft wuppen kann und das Herz immer noch am rechten Fleck hat? Die, die hilft, anpackt, eine Meinung hat und immer wieder aus ihren Fehlern lernt? Genau so eine Frau möchte ich sein und werden.
„Das kleine bisschen MEHR zum großartig sein“
Dazu gehören eben auch die kleinen Dinge im Leben, die dich formen. Dazu gehört auch einmal auf andere zuzugehen, Hilfe anzubieten und nicht nur zu beobachten.
Letzte Woche.
Es ist voll, es ist laut und die Anspannung steigt. Wir stehen vor der Show in der Menge und es wird gelacht, ein Cocktail geschlürft und natürlich gesnapt, gefilmt und fotografiert was das Zeug hält. Vor jeder Show zieht sich der Einlass. Doch das hat alles seinen Sinn. Presse, Fotografen, Journalisten, Blogger, Einkäufer und Freunde des Designers haben Zeit, sich zu unterhalten, sich zu finden. Alle haben sich herausgeputzt. Ein Designerteil nach dem anderen erblicke ich und bin ein wenig neidisch auf ein paar Schuhe, dass mir sicher auch ganz wunderbar stehen würde. Alle lachen, alle haben Spaß. Es werden Bilder geschossen mit Freunden, Bekannten und denen, die einen im Job weiterbringen. Es ist Fashion Week, ich mache mir nichts mehr vor. Für viele ist es ein Job, eine Möglichkeit Reichweite zu erhöhen, Kontakte zu knüpfen und die eigene Präsenz voranzutreiben. Es ist ein Beruf geworden wie jeder andere auch und dann muss man sich eben beweisen. Können, Stil, Auftritt und Attitüde gehören hier genauso dazu wie in anderen Bereichen. Es geht, neben den Shows, auch um das Gesehen werden. Ich setze mich kurz hin und betrachte das wie immer mit viel Abstand, aber auch mit Freude. Es macht mir Spaß, Menschen so ausgelassen zu sehen. Trotz der vermeintlichen Oberflächlichkeit, sieht man doch das eine oder andere mal ein echtes Lächeln. Das beruhigt mich, ich gönne mir ein Eis und genieße die Möglichkeit noch etwas zu entspannen. Ich drehe mich um, es wird ein wenig getuschelt. Ich sehe belustigte Blicke, doch keinen wirklichen Grund. Jemand stupst mich mit dem Ellenbogen an, „Schau dir die an, ihr Rock ist hochgerutscht“. Man kann fast ihre Unterwäsche sehen. Keine der Frauen sagt etwas.
Zeitreise.
Studium. Der Abschluss ist geschafft. Die Bachelor Abschlussparty steht an. Ich gehe hin, habe aber keine große Lust, denn ich bin auch froh, die Uni hinter mir lassen zu können. Irgendwie waren die letzten Monate nur noch Nervensache. Ich treffe ein, das Gebäude ist alt, es hat sicher viel zu erzählen, aber gerade jetzt steht mir nicht der Sinn danach. Drinnen ist es laut und stickig. Hier habe ich vor drei Wochen meine letzte Prüfung geschrieben. Jetzt darf ich das Tanzbein schwingen. Ich sehe die gleichen Leute aus den Kursen wieder, auch die, die ich bis jetzt nicht kannte. Ich setze mich hin, lausche ein wenig den unterschiedlichsten Gesprächen, tausche mich mit Freunden aus und schnappe mir etwas vom Buffett. Es ist eine Standardveranstaltung. Ein wenig langweilig, aber eben ein Muss, wenn man seinen Abschluss gemacht hat. Fast wie Abiball. Nur eben ohne Emotionen. Es gibt sie aber immer noch, die Klischees: Die Streberecke, die Literaturfreaks, die die man jetzt das erste Mal sieht und die kleinste Runde: Die Tussis. Dazu zähle ich mich, aber in einem Literaturwissenschaftsstudium sind diese Damen schon fast vorprogrammiert in der Minderheit. Macht mir nix, ich kann ja auch nicht mit jedem. Vor allem nicht mit denen, die eh immer die Augen verdrehen, wenn ich in den Raum kam, zum Kurs zu spät war oder wie jetzt die Damentoilette betrete. Ich frische mich auf, gebe mir noch eine halbe Stunde hier als Limit und verlasse die Damentoilette flink. Es werden komische Blicke ausgetauscht, getuschelt und kurz vermute ich, es dreht sich um mich. Nein die Dame vor mir, die gern für mich die Augen verdreht- hat am Absatz ihres Pumps Toilettenpapier hängen. Es sagt keine der Damen oder Herren etwas.
Rückblick.
Ich habe einen Termin. Der ist wichtig. Ich will das perfekte Outfit finden. Ich will selbstbewusst wirken und suche mich den ganzen Abend durch meinen Kleiderschrank, bis ich alle tollen und langweiligen Teile einmal miteinander anprobiert habe und mich unzufrieden auf dem Boden wieder finde. Ich beschließe, es wird die Wohlfühluniform angezogen. Dagegen kann nichts ankommen, ich fühle mich sicher und kann auf mein Gegenüber wirken, weil ich mich wohlfühle in meiner Haut. Ich stehe pünktlich auf, mache mich fertig, schlüpfe in die Uniform, muss aber leider noch drei Stunden Zug fahren. Kleinstadt Leben hat oft einen Nachteil, die Wege zu Treffen können lang sein. Aber ich erreiche meinen Zug, nutze die drei Stunden gut und bin pünktlich am Treffpunkt. Ich werde in den Konferenzraum geführt und warte. Nach zwanzig Minuten eilt meine Mailpartnerin, die ich jetzt das erste Mal persönlich treffe, in den Raum. Sie gibt mir schnell die Hand als sie kurz in die Glastür schaut und ihr Blick erschrocken verweilt. Ich muss so irritiert aussehen, dass sie sofort anfängt zu reden und ich das Lippenstiftunglück sehen kann: „Gott ich bin den ganzen Tag mit rotem Lippenstift im ganzen Gesicht rumgelaufen. Der war am Morgen auf meinen Lippen und hängt jetzt auf meiner Nase und überall woanders nur nicht mehr auf meinen Lippen. Wieso hat keiner etwas gesagt? Ich habe 3 Meetings hinter mir!“
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die dich groß machen. Wir kennen sie alle, diese Situationen, wir kennen alle das Gefühl, das dahinter steckt. Wieso nicht schnell helfen, antippen, hinweisen? Genau das macht es aus, das Frau sein, das Mensch sein. Sich in andere hineinversetzen, das Gefühl erkennen und helfen. Auch wenn es nur der Rockzipfel, das Toilettenpapier oder der Lippenstift ist, ich wäre für jeden Tipp dankbar. Ihr auch? Aber wieso passiert uns das allen so oft, das fast nie eine Frau den Mumm hat etwas zu sagen?
sehr schön <3
Danke für diesen tollen Text Franzi und deine Erläuterung zu diesem Thema. Ich finde auch, dass wir Frauen uns doch viel lieber gegenseitig unterstützen sollten, anstatt die Gelegenheit zu nutzen und übereinander zutuscheln.
Liebe Grüße
Luise | http://www.just-myself.com
Toller Text! Dies sollte man sich wirklich zu Herzen nehmen. Eigentlich ist es wirklich unmöglich, dass die Leute über solche Sachen hinter deinem Rücken reden, aber es dir nicht selbst sagen.
(Übrigens habe das Buch „Talking Fashion“ auf dem ersten Bild auch und ich mag es wirklich gerne. Musste eben so grinsen, als ich es bei dir entdeckt habe. 🙂 )
Liebe Grüße
S.
http://www.cappuccinocouture.blogspot.de/
Danke dir! Ja ich kann es nur vermuten- es ist kein Interesse mehr an der Umwelt da- oder es ist zu stressig, oder es dient der Belustigung.
P.S. Das Buch gefällt mir sehr.
Schön geschrieben. Irgendwie denkt man ja nie darüber nach oder fragt sich eher noch, wie man diese kleinen Missgeschicke nicht bemerken kann… Man sollte, da wirklich mehr drauf achten und öfter mal was sagen…
Ja vielleicht auch, weil uns das eine oder andere Mal sicher auch schon so ein Moment passiert ist. Ich vermiss das ein wenig- sich auch um andere kümmern.
MEGA Text und kein „Rumgeheule“ über die ach so blöde Fashion Week! Danke dafür! Top geschrieben!
Liebe Franzi,
ein sehr schöner Artikel. Ich bin immer froh, wenn jemand mich auf etwas unschönen hinweist. Ob nun der Preis noch auf der Schuhsohle klebt oder das Spinat zwischen den Zähnen haftet. Das kann auch ruhig von fremden Leuten sein. Das sage ich auch gerne den anderen, wenn sie nen Loch am Pulli haben oder den Pulli auf links tragen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute (vorallem Frauen) sehr dankbar sind, wenn ich sie darauf hinweise. 😉
Ich hoffe, du hast den Damen mit den Rockzipfel und Toilettenpapier darauf hingewiesen, dass da was ist 😉
Viele Grüße
Natalie
https://www.livolett.de
Danke Franzi. Für diesen Post. Weil wir solche Momente eben alle kennen und es schön ist, wenn nicht getuschelt sondern geholfen wird.
LG Jasi
http://www.marmormaedchen.blogspot.com
Über dieses Phänomen denke ich öfter mal nach. Manchmal habe ich das Gefühl, demjenigen, der etwas sagen könnte/sollte, ists peinlich. Aber wieso? Oder möchte man den Anderen mit dem Moment des Ansprechens nicht in Verlegenheit bringen (wobei es ja viel „schlimmer“ ist, mit Essen im Gesicht rumzulaufen oder mit hochgerutschtem Rock)? Glaubst du, die meisten Menschen sagen aus Boshaftigkeit nichts? Interessantes Thema. Und ich mag, wie du es aufgerollt hast!
Hey,
ein sehr schöner Beitrag. Mir sind oft solche kleinen Missgeschicke passiert – wobei manchmal sind es gar keine Missgeschicke, denn was kann man dafür, wenn man auf dem Weg zu einem Termin durch den Park gelaufen ist und jetzt ein kleines Blatt in den Haaren hat? Auf jeden Fall ist es nur sehr selten passiert, dass mich jemand darauf hingewiesen hat und ich kann es nicht verstehen. Es geht nicht nur um Fremde, sondern auch um Bekannte & Freunde. Eine Weile lang habe ich mir sogar gedacht: wie du mir, so ich dir! Und habe dann auch nie was gesagt – aber ich konnte irgendwann nicht anders und habe es dann trotzdem geholfen. Auch wenn ich das von bestimmten Personen nicht „zurückbekomme“ – ich bin nun mal so und werde mich nicht zum negativen verstellen.
glg, Nicca von kosmeticca.blogspot.com
Hallo liebe Nicca! Da sprichst du einen wichtigen Punkt an. Vielleicht ist es wirklich so- dass viele einfach auch denken: für mich wird nichts getan- also werde ich auch keinen Finger mehr rühren oder einen Hinweis geben? Schade, aber das habe ich schon oft erlebt- selbst unter Freunden.
Liebe Grüße
Ein sehr schöner Artikel, ich habe mir gleich vorgenommen, andere Leute auf so etwas hinzuweisen und etwas zu sagen. Ich hoffe mehr Leute als nur ich beherzigen das und es wird auch mir irgendwann zugutekommen. Den ich bin auch für jeden Tipp dankbar 🙂 Bitte mehr so welche Artikel <3 LG Jacki
Sehr schöner Artikel. Leider sind wir mit der Rücksicht auf andere, besonders wenns um „peinlichkeiten“ geht immer sehr sparsam.
Viele verwechseln das auch, dass das Schamgefühl dadurch entstehen kann oder Kritik geübt wird.
Allerdings was ist noch schlimmer als den ganzen tag mit offenem Hosenstall oder Lippenstift an den Zähnen rumzulaufen?
Wahrscheinlich möchte genau dieselben nicht an dieser „Scham“ teilhaben – heißt, wenn ich es nicht sage habe ich damit nicht zutun, oder ich bin ein Kind, das Schadenfreude nur bei anderen fühlt und dann das jede Sekunde auskosten muss.
Besonders bei gleichgeschlechtlichen Situationen, wo man sich nicht kennt, passiert das gerne – oft auch unter der Prämisse die „Konkurrenz“ auszustechen.haben möchte.
Mir ist das allerdings egal – ich sage jedem wenn etwas nicht stimmt, weil ich das gerne auch so bei mir Ergo, mit bestem Beispiel voran gehen und einfach mal den anderen zeigen wir das geht – vielleicht ändert das etwas..
Eigentlich ein riesengroßer Kindergarten – aber da kommen wir wohl nie raus.
Da hat sich leider etwas verschoben deswegen nochmal:
Sehr schöner Artikel. Leider sind wir mit der Rücksicht auf andere, besonders wenns um „Peinlichkeiten“ geht immer sehr sparsam.
Viele verwechseln das auch damit, dass das Schamgefühl dadurch entstehen kann oder Kritik geübt wird.
Allerdings was ist noch schlimmer als den ganzen Tag mit offenem Hosenstall oder Lippenstift an den Zähnen rumzulaufen?
Wahrscheinlich möchten genau dieselben nicht an dieser „Scham“ teilhaben – heißt, wenn ich es nicht sage habe ich damit nichts zutun, oder ich bin ein Kind, das Schadenfreude nur bei anderen fühlt und dann das jede Sekunde auskosten muss.
Besonders bei gleichgeschlechtlichen Situationen, wo man sich nicht kennt, passiert das gerne – oft auch unter der Prämisse die „Konkurrenz“ auszustechen.
Mir ist das allerdings egal – ich sage jedem wenn etwas nicht stimmt, weil ich das gerne auch so bei mir haben möchte.
Ergo, mit bestem Beispiel voran gehen und einfach mal den anderen zeigen wie das geht – vielleicht ändert das etwas..
Eigentlich ist es so Simple aber gleichzeitig so ein riesengroßer Kindergarten – aber da kommen wir wohl nie raus…