Wir leben offline und online unsere Persönlichkeit aus, teilen unsere Gedanken, Wünsche und Gefühle. Aber es gibt Themen die uns bewegen, die uns einnehmen, uns fesseln, und die wir dennoch mit niemandem teilen wollen.
Rausgehen und darüber reden? Nein. Meinungen dazu von Freunden erhalten? Nicht immer gewollt. Was ist deine Geschichte die niemanden etwas angeht, von der du nicht erzählen wollen würdest?
Frau Nummer eins, 33 Jahre alt, kann einfach nicht treu sein- strebt es aber auch nicht an.
Die Einleitung verrät euch alles. Ich bin nicht treu. Das bin ich noch nie gewesen und das werde ich wahrscheinlich auch nie sein. Es ist einfach so. Ich finde die Idee der exklusiven und wahren Liebe schön, aber ich habe schon immer die körperliche von der seelischen Liebe getrennt. Ich habe gern Sex, auch gern mit anderen Männern, aber bis heute spreche ich darüber nicht, nicht einmal mit meinen Freundinnen. Für mich ist klar, dass das niemanden etwas angeht, und außerdem kommt es gesellschaftlich auch nicht sonderlich gut an als Frau einfach gern Sex zu haben.
Ich habe gern heiße Dates, will nur das Körperliche, und gehe danach auch einfach gern nach Hause und lege mich zu meinem Mann ins Bett.
Wie groß wäre wohl der Aufschrei, wenn ich das einfach so bei einem Mittagessen erzählen würde? Richtig. Es ist ja moralisch falsch, ich betrüge meinen Mann und wie würde ich mich denn fühlen, wenn er es so machen würde. Erwischt? Würdet ihr das auch denken? Genau deshalb halte ich meine Klappe, genieße meinen Sex und habe meinen Partner, der nichts davon weiß. Bis jetzt ging es immer gut, weil ich das strikt trennen konnte. Bis jetzt hatte ich keine moralischen Anfälle und bis jetzt habe ich mich nie in meine Geschlechtspartner verliebt. Warum auch:
Ich liebe ja schon jemanden.
Ich will einfach Sex haben. Für eine Frau ist diese Lebenseinstellung auch im Jahr 2019 noch immer unvorstellbar, weil wir uns immer einreden, dass wir die treuen Seelen seien, die nur einen Mann im Leben bräuchten. Für mich gilt das jedenfalls nicht. Aber es ist kein Thema das du als Frau offen besprechen kannst. Dafür sind wir dann doch noch zu verklemmt und versuchen lieber den Schein zu wahren.
Frau Nummer zwei, 25 Jahre alt, hat einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich.
Ich lese es gerade überall: Der Paragraph 219a muss abgeschafft werden. Nicht nur abgeändert, sondern komplett weg. Ich bin auf jeden Fall dafür. Ich finde es toll, dass sich so viele Frauen zusammen für das große Ganze einsetzen. Ich habe nur einfach kein Interesse daran, meine Geschichte genau deshalb teilen zu müssen. Denn als Frau musst du deine Meinung immer mit einer Erfahrung unterstreichen und dabei deine Gefühle preisgeben. Ich habe mit 19 abgetrieben und einfach nichts dabei gefühlt. Das ist die Wahrheit.
Es war mit einem Mann, der mir nichts bedeutet hat, nach einer Nacht, in der wir beide unvorsichtig waren. That’s it.
Und dann war da eben etwas in meinem Körper, das leider nicht bleiben durfte. Ich habe mir absolut keine Gedanken darum gemacht. Ich wollte nicht schwanger sein, ich wollte keinen weiteren Kontakt zu diesem Mann, und damit war das Thema für mich entschieden. Ich habe darüber nie mit jemandem gesprochen, weil alle immer sofort etwas über das Gefühl dabei und eine Begründung dafür hören wollen. Aber die gab es nicht, ein Gefühl hatte ich einfach nicht. Und da die Debatte jetzt so aktuell ist, fühle ich mich fast wieder genötigt etwas zu sagen und meine Erfahrungen zu teilen, dabei geht es niemanden etwas an, dabei müsste unsere Meinung einfach so zählen, oder?
Ich finde den Paragraphen sinnlos. Ich finde ihn weder nützlich noch schützend.
Schafft ihn ab und gut ist es. Aber es einfach so sagen, das kannst du als Frau immer noch nicht ohne eine verständliche Begrüdnung für dein Gegenüber. Wir sind ja immer diejenigen mit ganz viel Gefühl und den passenden Worten. Quark. Ich kann auch eine Meinung haben ohne mich seelisch auszuziehen. Wo leben wir denn?
Frau Nummer 3, 43 Jahre alt, hat seit 20 Jahren keinen Sex mehr mit ihrem Partner.
Ich habe das noch nie jemandem gesagt, Fragen dazu gestellt oder es überhaupt angesprochen. Mir ist es nicht unangenehm und mir ist es nicht zu viel darüber zu sprechen, aber ich glaube es passt nicht in unsere ach so offene Welt. Ich finde Sex in meiner Beziehung nicht wichtig. Ich brauche diese Art von körperlichen Kontakt nicht, um zu lieben oder mich geliebt zu fühlen. Ich brauche Nähe, Gespräche und Verständnis, aber keinen Sex. Das ist heute wohl nicht so normal, wie es für mich klingt.
Wir sprechen ja immer von der Selbstfindung und der Erkundung der eigenen Sexualität.
Ich benötige das aber nicht und ich kann mir vorstellen, dass es für die Masse komisch klingen muss- jetzt wo Frau alles sein darf, es aber vielleicht gar nicht möchte. Mir könnte dann auch vorgeworfen werden: Ich sei nicht normal, frigide, verklemmt oder hätte einfach noch nicht den richtigen Partner gefunden. Alles falsch in meinen Augen. Ich bin so glücklich und hatte einfach nie das Verlangen nach Sex. Ich kann dann eben bei Problemen im Bett oder bei Befindlichkeiten beim Sex nicht mitreden, will ich aber auch gar nicht.
Liebe ist für mich auch ohne Sex möglich und nicht wie bei vielen anderen so ein wichtiger Punkt in der Beziehung.
Ob er mich noch attraktiv findet? Das habe ich mich in 20 Jahren nicht ein einziges Mal gefragt. Ich frage mich eher, ob ich ihm noch etwas bieten kann, in Sachen Unterhaltung und Zeit zusammen verbringen. Ich vermisse meinen Mann immer noch, wenn er verreist. Ich weiß, dass er mir treu ist, und dass wir uns beide für diese Beziehung entschieden haben.
Aber ich würde es nie vor anderen aussprechen, warum auch? Wen geht es etwas an, was wir im Bett machen oder was nicht, und überhaupt, was soll das über unsere Beziehung aussagen? Nichts.
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