Kolumne

Von Eierbechern, Kopfzerbrechen und Selbstwahrnehmung

6. August 2017 von

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Wie entwickeln wir uns? Wohin geht unsere persönliche Reise? Wie nehmen wir uns wahr? So richtig tiefsinnige Gedanken teilen wir ja selten mit anderen, außer wir sitzen im Philosophiekurs und müssen uns beweisen. In uns gehen und sich mit dem auseinandersetzen, was passiert und passieren kann, braucht viel Zeit.

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Ich habe diese Zeit ungern, denn dann fallen mir tausend Dinge ein, die ich noch machen will oder die ich hätte machen können. Ich schreibe schon lange keine Bucket Listen mehr, „Wie ich sein will, was sein muss und sein wird“. Ich habe aufgehört mich schon vorher festzunageln, denn rückblickend war ich dann doch immer jemand anders. Ich habe mir Wünsche, Träume und Ziele aufgeschrieben die schön klangen und gut aussahen, aber doch nur durch Bilder und Texte Anderer in meinem Kopf entstanden und die mir weiß machen wollten, dass ich so sein will. Ich habe einfach angefangen ich zu sein und mich davor bewahrt immer wieder in endlose „Was will ich sein“- Momente zu verfallen. Ich habe mich davor gedrückt mich damit zu beschäftigen, wie ich auf andere wirke. Das war befreiend, das ist auch jetzt noch eine Entscheidung, die ich für richtig halte. Nur manchmal gibt es dann Situationen die mich grübeln lassen und mir das Gefühl geben, ich müsste wieder mehr auf das achten, was andere in mir sehen.

Rückblick

Wann habe ich das letzte Mal bei jemandem übernachtet? Lass es Jahre her sein. Gefühlt eine halbe Ewigkeit. Dazu zählt nicht das Elternhaus oder beste Freunde. Nein, solche Übernachtungen, die man spontan entscheidet und nicht wirklich weiß worauf man sich einlässt. Dafür packe ich meinen Koffer und meine Gedanken trotzdem nicht anders. Manchmal fühlt es sich unglaublich fremd an, manchmal muss man sich überwinden, manchmal denke ich mir nichts dabei. Ich trete gern in fremde Leben ein, aber über Nacht zu bleiben ist noch einmal etwas anderes. Ich habe Rituale und mich daran gewöhnt, dass ich bestimmen kann wie es in meinem Umfeld aussieht. In einer Wohnung, in der ich nur kurz verweile, muss ich mich an alles gewöhnen, auch daran, dass es andere Lebenseinstellungen gibt. Wir können kurz über Spießigkeit reden und vielleicht auf das Langweilertum umschwenken.

Ich ging so wie ich lebe immer davon aus ganz normal zu sein, wie du und ich.

Doch als wir am Morgen zusammen am Tisch saßen und frühstückten, rutschte meiner Gastgeberin ein Satz heraus, der mich zum Grübeln brachte. Es ging um einen ganz banalen Eierbecher. Egal welche Form und Farbe, er war einfach nicht da. Sie reichte mir das frisch gekochte Ei auf einem Teller und blickte zu mir mit dem Satz

„Ich hoffe das genügt dir“.

Ich hoffe das genügt dir- Was meinte sie damit? Das hier, der Teller ohne Eierbecher oder ihr Leben gegen meins? Wie muss ich auf sie wirken? Ich dachte immer ich wirke bodenständig, angekommen und solide auf andere, fast schon langweilig, mit einem Hang zu viel Dekoration. So wie du und ich die meiste Zeit. Doch für sie war ich jemand völlig anderes. Als ich nachhakte verriet sie mir, dass sie sich die ganze Zeit Sorgen machen würde, dass das hier alles nicht genug für mich sei. Die kleine Wohnung, das kleine Bett, das mini Bad ohne Fenster. Das leichte Chaos, der leere Kühlschrank und fehlende Eierbecher. Manchmal wäre ich wie von einem anderen Stern, eine andere Klasse von Mensch. Nicht schlimmer, aber vielleicht manchmal besser, doch vor allem anders. Alles perfekt.

Sie fügte schnell hinzu „Auf den ersten Blick. Ich weiß du bist ein Mensch mit Ecken und Kanten, aber dein Leben führen nicht viele so- du fällst auf, das verunsichert mich, gerade wenn du spontan vor meiner Tür stehst.

Da sitze ich in ihrer ersten eigenen Wohnung die sie ganz wunderbar eingerichtet hat, die mich, wenn es um einen Ordnungsvergleich geht, um Längen schlagen könnte und sie macht sich Sorgen, dass mir das nicht reichen könnte, dass sie mir nicht gerecht wird. Das gibt mir zu denken, denn ich habe ja aufgehört darüber zu grübeln was andere von mir halten. Ich habe beschlossen keine Zeit mehr an das zu vergeuden, was andere über mich denken könnten. Doch wenn ich diesen ersten Eindruck hinterlasse, muss ich mir vielleicht doch wieder Gedanken darüber machen, wie ich auf andere wirke.

Ich bin mir auch Tage danach noch nicht sicher, ob ich mich mehr erklären muss, damit man versteht, dass mein Leben mich so wie ich es lebe glücklich macht, aber andere in keiner Weise verunsichern oder abwerten soll. Vielleicht lebe ich speziell und für viele zu spießig, zu eintönig, zu erwachsen oder zu perfekt und zu geordnet.

Dennoch ist es mein Leben, das mich glücklich macht. Ich hatte nie die Absicht jemanden damit zu verunsichern.

Müssen wir uns mehr darum kümmern, wie wir auf andere wirken?

Alles Liebe

Kommentare

Bisher 3 Kommentare zu “Von Eierbechern, Kopfzerbrechen und Selbstwahrnehmung”

  1. Marie sagt:

    Spannend liebe Franzi. Ich glaube nur wenige Menschen können sich überhaupt mit sich selbst auseinandersetzen. Weiter so!

  2. Sylvi sagt:

    Liebe Franzi,
    Ein toller Post der wirklich zum Nachdenken anregen sollte.
    Das du dir Gedanken darüber machst zeigt wie menschlich und bodenständig du bist.
    Machmal ist es gut wenn man sich selber einmal reflektiert, jedoch sollte es wohl das goldene Mittelmaß sein. Ich für meinen Teil mache mir zu oft Gedanken darüber, man sollte selektieren von wem es kommt und ob es wirkloch eine objektive Meinung oder ein gemeiner Komentar einer Person ist die einem nicht wirklich nahe geht.
    Deine Gastgeberin scheint dich sehr zu mögen, sonst wäre ea wohl gar nicht erst zu einer Übernachtung gekommen ;).
    Danke fürs Gedanken anregen.

  3. Vera sagt:

    Es gibt Menschen mit diesem geringen Selbstwertgefühl, die sich mit denen vergleichen, die vermeintlich perfekt sind. Mir geht das auch so, und ich habe mich in diesem Blog in der Freundin wiedergefunden, die keine Eierbecher hatte… – und ich habe mir so meine Gedanken darüber gemacht, als ich das heute so gelesen habe. Ich finde es wunderbar, dass Du so gut über Dich selbst reflektierst, wie Du auf andere wirkst, und es der Freundin gegenüber relativierst, irgendwie „Besser“ zu sein als sie. Aber sie empfindet es so, und das ist auch von ihr sicher nicht böse gemeint. Es gibt Menschen, zu denen man automatisch irgendwie aufschaut, an denen man sich misst und orientiert, zu denen man so ein Verhältnis von Minderwertigkeit hat, und die man alleine dafür bewundert wie sie sind, sauber, ordentlich, pünktlich, durchtrainiert, immer freundlich, motiviert, offen, lustig, organisiert, – eben perfekt! Wie bekommen diese Menschen das hin? Wir alle müssen früh aufstehen, sind müde, lassen Sachen fallen, vergessen Dinge, beim letzten Mal meinte so ein Mensch zu mir:„Bei mir vergammelt immer alles“ – ich fand es erst seltsam, zeigte es doch, dass er auch nur ein Mensch mit einem Kühlschrank ist, und manchmal nicht dazu kommt, zu Hause zu essen, und dann eben Sachen vergammeln, aus Zeitmangel. Wir alle kochen nur mit Wasser, schwitzen, beim Sport, den er im Gegensatz zu mir regelmäßig macht…. Aber ich bin gefühlt immer unpünktlich, egal wie viel Zeit ich mir nehme, und wie zeitig ich losfahre. Ich bin immer müde, verschwitzt, abgehetzt, genervt, gestresst, hungrig, durstig, – was machen diese Menschen anders? Warum ist sie immer ordentlich, adrett, freundlich und perfekt? Und was passiert in mir, wenn sich herausstellt, dass bei ihr Sachen schief gehen?
    Die Frage muss doch nicht Du Dir stellen, wie Du auf andere wirkst: perfekt und organisiert und immer höflich und gutaussehend… Muss die Frage nicht eigentlich ich mir stellen, warum ich mich derart mit anderen vergleiche? Warum ich mich solchen Menschen gegenüber als minderwertig, weniger adrett und weniger gut betrachte? Menschen haben Fehler, wir alle machen welche, jeden Tag. Manche mehr oder weniger, manche öfter oder seltener, manche schwerwiegender. Wir allen haben Schwächen, Probleme, Sorgen, Nöte, Fragen und Ideen. Warum vergleiche ich mich mit jemandem vermeintlich perfekten, obwohl sich schon kurz hinter der Fassade herausstellt, dass er gar nicht perfekt ist? Obwohl man eigentlich weiß, dass er auch nur ein Mensch ist, dass er auch Probleme hat, morgens aufstehen muss und arbeitet? Warum fühlt man sich trotzdem gegenüber solchen Menschen immer irgendwie unfertig, unrichtig, unwichtig, unwohl? Obwohl es sich doch eigentlich von selbst relativiert?
    Dennoch: manche Menschen scheinen einfach nie Fehler zu machen, über jeden Zweifel erhaben zu sein, und dies auf eine derart freundliche, natürliche und ganz normale Art und Weise, nie überheblich, nie frech oder chauvinistisch, selbstbewusst ja – aber nie ignorant, arrogant, eingebildet oder ganz bewusst andere abwertend. NEIN- Man wertet sich im Gegenteil ganz oft völlig unbewusst und völlig unnötig selber ab! Und obwohl diese Menschen in unseren Augen so perfekt sind, und sie auf uns dennoch abwertend wirken, nehmen wir es ihnen noch nicht mal übel, sondern empfinden auch das als ganz normal, denn wir sind ja diejenigen, die vermeintlich nicht mit ihnen mithalten können, beim Aussehen, beim Optimismus, beim Zeitmanagement, beim Organisatorischen, beim Wasser kochen. Nicht sie müssen sich den Vorwurf machen, auf uns so perfekt und einschüchternd zu wirken, sondern wir müssen uns den Vorwurf machen, ständig unserem geringen Selbstwertgefühl Recht zu geben, dem kleinen Mann im Ohr der uns zuflüstert: „Sieh Dir nur das perfekte Haar an, die perfekte Haut, die Pünktlichkeit, die aufrechte Haltung, das Lächeln bei jeder Unterhaltung. Sieh mal an Dir herunter und vergleiche Dich.“ – Wir müssen uns den Vorwurf machen, uns nicht mit vermeintlich gleichwertigen, gleich minderwertigen zu vergleichen, sondern mit denen die in unseren Augen immer perfekt und adrett sind. Wir müssen uns den Vorwurf machen, eine Relativierung, die wir erfahren haben, nicht bewusst in dieses Vergleichsschema mit einzubauen…. Wir müssen uns den Vorwurf machen, nicht selbstbewusst genug zu sein, uns mit unseren Fehlern zu arrangieren, und uns so nehmen wie wir sind! Wir müssen uns den Vorwurf machen, uns überhaupt zu vergleichen, anstatt auf unser eigenes Bauchgefühl zu hören und negative Dinge, die uns wiederfahren, direkt auf uns zu beziehen und die Ganze Welt dafür verantwortlich zu machen! Und wir müssen uns die Frage gefallen lassen, ob denn bei uns wirklich alles immer perfekt sein muss, oder ob wir nicht so gut sind, wie wir sind, mit allen Fehlern, mit Müdigkeit, mit Unpünktlichkeit, verpeilt und verschwitzt, mit Gefühlen, Sorgen, Hunger und ohne Stift, mit zersausten Haaren und zerlatschten Schuhen, mit Gammel im Kühlschrank, um dann festzustellen, dass wir nicht anders sind als andere, nur ein bisschen weniger perfekt, oder adrett. Meine 2 cent. Danke fürs lesen.

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