Kolumne

Perfekt unperfekt wieder perfekt

15. Dezember 2015 von

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Wenn ich morgens ins Bad schlürfe, an diesen Tagen an denen in der Nacht selbst der Schlaf sich als anstrengend herausstellt und der Blick in den Spiegel schnell mit einen „huch“ abgetan werden muss, denke ich immer mal wieder ganz kurz: „Gott, man müsste einmal Topmodel sein.“ Dann rufe ich mir aber auch immer sofort wieder in Erinnerung,  dass diese Damen auch ihre „Schreck- das bin ich im Spiegel“ Momente haben.

Perfekt unperfekt wieder perfekt

Das Gemüt ist wieder beruhigt und ich kann mich noch etwas verschlafen aber zufrieden vor den Laptop setzen. Ich klicke mich von Artikel zu Artikel und bleibe bei der aussagekräftigen Schlagzeile hängen: „Endlich zeigt eine Marke die realen Frauen mit Ecken und Kanten. Frauen die nicht perfekt sind, Frauen wie du und ich.“ Das kommt doch gerade richtig, oder? Voller Erwartung gibt es einen Klick. Ich male mir kurz aus, dass wir vielleicht endlich doch verstanden haben, dass Photoshop und Co. mehr ein Traumbild unterstützen, als dass es uns echte Frauen und unser Selbstwertgefühl unterstreicht! Ich bin ehrlich, manchmal muss ich bei so viel Schönheit und Perfektion in einem Bild versammelt an mir selbst zweifeln. Daher freue ich mich innerlich ein wenig, jetzt mentale Unterstützung zu finden. Ich lande auf jeden Fall bei schönen Frauen, schlank.  Nicht zu viel und nicht zu wenig. Echte Persönlichkeiten, keine Frage. Aber was ist denn bitte jetzt an ihnen realer, als an all den anderen Werbefiguren? Ich sehe dunkle Haut, Achselhaare, verschlafener Blick, eine Narbe am Bauch. Das sind also die Frauen, die Makel haben und sich endlich zeigen dürfen? „Achselhaare?“ sage ich laut vor mich ihn, womöglich weil ich es zu albern finde, um es für mich zu behalten.

Das ist der Blick der Modeindustrie auf uns? Das mussten wir also die ganze Zeit verstecken? Gott, dann kann ich einpacken. Wisst ihr was ich bei mir ungern entdecke? Leichte Dellen, wenn ich etwas unschön sitze und das Licht noch sein übriges tut. Meine vielen Leberflecken, die sehr helle Haut, die an bestimmten Tagen jede Ader durchscheinen lässt. Der Pickel, der sich auf dem Kinn ausbreitet, der volle Bauch nach einem deftigen Essen Ich weiß, ich sollte mich nicht in das Thema hinein steigern. Aber wenn Achselhaare und ein markantes Gesicht die Revolution in Sachen echte Frauen sind, dann bin ich einfach ein wenig enttäuscht. Natürlich wollen wir alle immer die schönste Seite von uns zeigen und natürlich Mode auch so präsentiert bekommen. Aber solche Wortverwendungen, solche Äußerungen sind manchmal einfach ein Schlag ins Gesicht. Es sind dann eben auch diese Bilder, die uns noch mehr zweifeln lassen. Die mich an mir zweilfen lassen. Selbst das Reale wird immer unrealer. Es wird nur so oft benutzt und verdreht, dass ich selbst am Ende glaube- ich bin nicht mehr normal und das finde ich gerade richtig erschreckend.

Perfekt ist jetzt unperfekt, aber eigentlich auch schon wieder perfekt oder?

Liebe Grüße

Edit: Ich gehe hier auf die neue Kampagne von &OtherStories ein. Die Mädels sind unglaublich schön und real, keine Frage. Aber haben sie überhaupt etwas mit uns zu tun?

Kommentare

Bisher 11 Kommentare zu “Perfekt unperfekt wieder perfekt”

  1. Doro sagt:

    Perfektionismus ist ein schweres Thema, weil es grundsätzlich immer im Auge des Betrachters liegt. Für mich sind es aber auch tendeziell die Dinge, die es für dich auch sind. Ich denke, so 100% recht kann es uns allen die Modebranche nie machen, doch es sollte definitiv noch etwas zwischen dieser Kampagne und den typischen Laufstegmodels geben:)

    • Franzi sagt:

      Liebe Doro, ich stimme dir zu. Ich will es auch gar nicht zu 100%. Nur diese seltsame Sicht auf uns normale Frauen. Irgendwie bin ich mit der Kampagne an meine Verständnisgrenze gestoßen. Warum auch immer. Danke für deinen Kommentar.

  2. tinted ivory sagt:

    Die aktuelle & other stories-Kampagne habe ich auch gesehen und dachte so… wie bei der Brigitte vor Jahren die „normale“ Frauen als Models einsetzte und damit eine Bruchlandung hinsetzten. Den Frauen waren die Modelfrauen nicht normal genug, der Modeindustrie waren sie zu alt/ zu fett/ zu wasweißich. Diwe Brigitte stampfte das Ganze nach einigen Veruschsmonaten ein. Schade, es hätte ein Anfang sein können.

    Auch hier sehe ich Parallelen, es kann ein Anfang sein, es kann auch provoziert sein umd mit Aufmerksamkeit zu verkaufen wie Abercrombie&Fitch. Ich finds schwierig zu bewerten wo das Gute anfängt und wo der reine Marketing-Gag. Nur recht gebe ich dir definitiv, DAS sind keine „normalen“ Frauen.

    Keksige Adventsgrüße,
    Eva

    • Franzi sagt:

      Ja da gibt es wohl viele Parallelen. Auch finde ich es schade, wenn wir es ganz verteufeln. Aber ich kann es auch schwer bewerten, habe mich aber bei dieser Kampagne irgendwie angegriffen gefühlt. Warum auch immer, vielleicht weil ich gern normal bin, aber das alles andere als normal ist. Vor allem verstehe ich die Achselhaare nicht. Ein Makel? Seltsam oder?

  3. S. sagt:

    Ich habe mir, nachdem ich deinen Artikel gelesen habe, mir die Kampagne mal angeschaut und ich muss sagen. dass ich dir zustimme. Leider, irgendwie. Ich hatte eigentlich gehofft, dass du dich vielleicht etwas in die Perfektionismus-Thematik hereingesteigert hast. Aber die Models, haben Makel, die kaum als solche angesehen werden können. Okay, markanteres Gesicht, schön und gut. Aber wo bleiben denn da die Makel einer „richtigen“ Normalo-Frau? Der nicht definierte Bauch, die unreine Haut, Cellulite, Falten etc.? Klar, Makel, wenn auch nur marginale, in einer Mode-Kampagne zu zeigen ist zumindest ein kleiner Fortschritt. Aber doch glaube ich, dass es etwas weit hergeholt ist, diese (unbestreitbar hübschen) Frauen und ihre Makel als absolut durchschnittlich zu verkaufen.
    Liebe Grüße
    S.
    http://cappuccinocouture.blogspot.de/

    • Franzi sagt:

      Hey, ja ich habe genau das auch gehofft. Aber vielleicht muss man jeden Anfang erst einmal mehr Raum geben um dann auch weiter Schritte anzugehen? Wobei vielleicht auch nicht alle genau das sehen wollen?
      Liebe Grüße und danke für deinen Kommentar

  4. Fee sagt:

    Guter Artikel, ich kann dich wirklich gut verstehen. Ich habe auch das Gefühl, dass wir Frauen es anerzogen bekommen uns ungeschminkt und ungestylt unvollkommen, hässlich zu fühlen. Das ist traurig und sorgt dafür, dass selbst so wunderschöne, selbstbewusste Frauen wie du manchmal vor dem Spiegel stehen und diesen „Huch“-Moment haben. Die Medien tun ihr Übriges.

    Alles Liebe,
    Fee von Floral Fascination

  5. Maren sagt:

    Obwohl ich Makel habe, die mich allerdings nicht weniger interessieren könnten, habe ich zudem noch nie ein „Huch“-Moment erlebt. Ich gehe auch mal ungeschminkt raus. Ich trage Größe 40 und das worauf ich Lust habe. So what?

    Das Diktat von außen sieht da natürlich anders aus. Aber auch da: Was interessiert mich das, wenn ich mich wohlfühle?

    Liebe Grüße,
    Maren

    • Franzi sagt:

      Finde ich klasse, aber irgendwie bin ich persönlich wohl eine Zweiflerin! Diese Tage kommen und gehen bei mir. Aber ich nehme sie auch nicht so ernst. Es gehört irgendwie zu mir 😉
      Liebe Grüße

      • Maren sagt:

        Deine Zweifel sind doch nur ein Zeichen, dass dir dein Äußeres wichtig ist und das ist auch gut so. Immerhin besteht zwischen Akzeptanz und sich gehen lassen ein großer Unterschied. ?
        Verrückt machen lassen bringt aber nichts. ?

  6. Magdalena sagt:

    Toll deine Gedanken dazu. Als ich diese Bilder gesehen habe dachte ich ähnliches.
    Manche Models werden doch gerade wegen ihrer Zahnlücke oder dem Leberfleck gebucht?! Das macht „normalen“ Frauen wenig Mut wenn sie die Frauen im Netz sehen mit diesen vermeintlichen Makeln.
    Danke das du uns an deinen Gedanken dazu teilhaben lässt Franzi!

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