Kolumne

Lucky me Lucky you

8. November 2015 von

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Wenn ich mich ein wenig mehr aus meinem bequemen Radius bewege, weiß ich sofort: Ich lebe im Überfluss, habe Glück die richtigen Eltern, die richtigen Freunde, den richtigen Mann an meiner Seite zu haben. Daher muss ich ab und an auch einmal etwas zurückgeben.

Lucky me Lucky you

Oft vergesse ich aber genau das zu tun.  Mir zum Beispiel etwas für andere vorzunehmen, die nicht so viel Glück hatten wie ich. Dann schwirren mir lieber die eigenen kleinen Probleme im Kopf herum. Wenn ich schnell noch die Bahn in meinen neuen Michael Kors Schuhen bekommen muss und dabei leise bete, das ich mir den Absatz nicht ruiniere. Wenn ich mein Smartphone fest an meinen Körper presse aus Angst, mir könnte es jemand frech aus der Hand wegnehmen oder die neue kleine Tasche mit dem süßen Namen einen Hauch von Luxus verspricht ja nicht beschmutzt werden soll. Mir geht es gut, manchmal zu gut und dabei vergesse ich die, die nicht so viel Glück hatten wie ich. Wenn ich dann auf meinen Zug wartend nach einem Euro oder einer Fahrkarte gefragt werde, dann gebe ich immer gern mehr. Sei es um mein Gewissen zu beruhigen, sei es, dass der oder die andere auch etwas von meinem Glück abbekommt. Ob Eigennutz oder Herzenssache- ich sage mir dann immer im gleichen Atemzug: Hauptsache etwas zurückgeben. Denn egal mit welcher Intention ich es angehe, wenn am Ende jemand glücklich ist, ist doch das Wichtigste?! Aber irgendwie sehen das andere nicht gern. Dann bekomme ich oft zu hören: „Die stehen und betteln überall, man kann ja nicht alles abgeben und jedem helfen.“ Oder erschrockene bis abwertende Blicke.

Oft kann ich in genau diesem Moment nicht gut reagieren, oft fühle ich mich sogar kurz schlecht, weil ich etwas abgebe. Alberne 3 Euro, alberne Karten, die ich vergessen habe abzustempeln Was ich mir dabei denke? Ich würde es doch eh für etwas ausgeben, was mir nicht all zu wichtig ist, ich würde es für Spielereien ausgeben, für Kleinigkeiten, die ich nicht benötige und dann kurze Zeit später nicht mehr daran denken. Daher bin ich froh, dass sie auf mich zukommen und mich aus meiner kleinen Blase herausreißen und mir zeigen, dass man manchmal einfach nur zum falschen Zeitpunkt, in der falschen Familie oder mit den falschen Menschen in Kontakt kommen muss, um einen anderen Weg einzuschlagen. Das manchmal nur der Zufall über Glück und Unglück entscheidet und das ich dabei ein Teil sein kann, der das Unglück für einen kurzen Moment schmälern kann. Auch wenn es nicht viel ist und bestimmt nicht die Welt bewegt. Ich  hoffe aber, das ich durch kleine Gesten, nette Worte und ein wenig Vorbildfunktion mehr mache, als jemand der mich dafür verurteilt, wenn ich wieder eine Zeitschrift abkaufe, mein Essen teile oder mein Ticket weitergebe.

So geschehen diese Woche: Ich wurde am Berliner Hauptbahnhof nicht nur abwertend beäugt, nein man ermahnte mich auch, da ich ja so wie ich aussehe wohl nicht oft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahre: „Die Massen an solchen Menschen sollte man nicht unterschätzen und auch nicht noch unterstützen.“ Dieses Mal hatte ich eine Antwort: „Ich kann ihre Einstellung nicht nachvollziehen, wir haben doch alles, ich habe genug und kann etwas abgeben.“

Ich habe einfach Glück gehabt, wie viele von uns. Das macht mich weder zu einem besseren noch schlechteren Menschen. Ich habe einfach den besseren Start erleben dürfen und möchte mich dafür bedanken … nicht nur bei meinem gewohnten Umfeld … auch bei anderen, die weniger Glück hatten.

Liebe Grüße

lucky me

Kommentare

Bisher 5 Kommentare zu “Lucky me Lucky you”

  1. Leonie sagt:

    Eine sehr gute Einstellung, die absolut teile. Es ist manchmal schwierig, über den eigenen Tellerrand zu gucken und genau an der richtigen Stelle zu helfen – aber jeder sollte das tun und sich da engagieren. Und wenn man nur ein Brötchen verschenkt, auch das kann den Tag von jemand anderem schon besser machen.
    Liebe Grüße
    Leonie von Follow The Daisies

  2. Ein toller Post !
    Dein Text ist wie immer toll 🙂

  3. Nicki sagt:

    Ich kann das nachvollziehen! Wenn man darüber nachdenkt, über was man sich heute den Kopf zerbricht. Im Vergleich zu den Problemen anderer ist das häufig wirklich lächerlich. Da ist es doch gut, wenn man ab und an wachgerüttelt wird und zum Nachdenken und dankbar sein angeregt wird.
    Liebe Grüße aus München

  4. Anni sagt:

    Der Blog Post gefällt mir wirklich gut und es sind einfach wahre Worte. Als ich in den USA eine Freundin besuchte, machten wir an einer Tankstelle kurz Stopp. Dort lief ein obdachloser von Auto zu Auto und fragte die Menschen, ob sie ihm etwas zu Trinken geben könnten, da er nichts hätte. Das war wirklich herzzerreißende und mal wieder eine gute Erinnerung daran, wie gut es einem selbst geht.
    Liebe Grüße, Anni

  5. L. sagt:

    Was ich so widerlich finde ist, dass man dir das auch noch ausreden will zu helfen, selbst sowas wird noch negativ ausgelegt. In was für einer Welt leben wir eigentlich, dass alle so mißtrauisch und ängstlich geworden sind?

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